Ausführungen zu den Argumenten der Stadt Heidelberg und der Gemeinderatsfraktion Die Grünen zur Verlegung des Ankunftszentrums für Geflüchtete in das Gewann Wolfsgärten
Beitrag von Charly Völker, Arzt im Ankunftszentrum Patrick-Henry-Village Heidelberg; Cornelia Wiethaler, Sprecherin NABU AK-Umweltpolitik; Dr. Dorothee Hildebrandt und Wolfgang Gallfuß, FOKUSS -Neue Mitte HD; Mia Lindemann, Asylarbeitskreis Heidelberg e.V.; Karin Weber
Verlegung des Ankunftszentrums für Geflüchtete innerhalb des Patrick-Henry- Village (PHV) oder in das Gewann Wolfsgärten
Mit den folgenden Ausführungen gehen wir auf die Argumente der Stadt Heidelberg und der Gemeinderatsfraktion Die Grünen zur Verlegung des Ankunftszentrums für Geflüchtete in das Gewann Wolfsgärten ein.
Überblick
In einem FAQ-Papier auf der Homepage der Gemeinderatsfraktion Die Grünen, im Sachantrag an den Gemeinderat (20-03-04 Sachantrag Verlagerung Ankunftszentrum.pdf) und einem Stadtblatt-Beitrag von Luitgard Nipp-Stolzenburg vom 25.03.2020 wurde die Grüne Position zum Ankunftszentrum dargelegt. Zu unseren Fragen nahmen die GemeinderätInnen Luitgard Nipp-Stolzenburg (12.3.2020), Derek Coofie-Nunoo (19.03.2020) und Dorothea Kaufmann (24.03.2020) ausführlich Stellung. Folgende Punkte wurden dabei angesprochen.
1. Das Gewann Wolfsgärten sei kein ideales, aber ein geeignetes Terrain für den Standort des Ankunftszentrums.
Unsere Erwiderung: Die Lage des Ankunftszentrums, zwischen 2 Autobahntrassen und Bahngleisen fast vollständig eingeschlossen, bedeutet eine unzumutbare gesundheitliche Belastung der Geflüchteten (Lärmbelastung mehr als 65 Dezibel). Die Versiegelung hochwertiger landwirtschaftlicher Flächen kann nicht hingenommen werden. (Seite 3)
2. Es müsse ein neuer Standort für das Ankunftszentrum gefunden werden, da „wir … PHV als neuen Stadtteil entwickeln wollen.“ Das Ankunftszentrum stehe dieser Entwicklung im Wege. Dabei gilt als hinderlich die Umzäunung: Die Sicherheit eines Ankunftszentrums sei durch bauliche Maßnahmen, insbesondere durch einen blickdichten Zaun zu gewährleisten.
Unsere Erwiderung: Die optimale Sicherheitslage ergibt sich im PHV, da dort die soziale Integration in ein Stadtviertel am besten zu gewährleisten ist. Moderate bauliche Sicherungsmaßnahmen und Security-Dienste ergänzen diesen Schutzfaktor. (Seite 5)
3. Notwendige Einwohnerzahl im PHV: Als Voraussetzung für einen funktionierenden Stadtteil bedürfe es mindestens 10.000 Einwohner*innen.
Unsere Erwiderung: Dies ist kein Argument gegen die Verlegung des Ankunftszentrums im PHV, weil die Geflüchteten als NachfragerInnen für die Infrastruktur mitgezählt werden müssen. Die Zahl von 10.000 Einwohner*innen ist keine wissenschaftlich belegte Mindestgröße für einen neuen Stadtteil. Die Größe eines Stadtteils muss im Zusammenhang mit der sozialen Mischung, mit funktionaler Diversität sowie mit Infrastruktur und Angeboten gesehen werden. (Seite 7)
4. Zeitverzögerung: Eine Verlagerung des Ankunftszentrums innerhalb des PHV verzögere die Entwicklung des Stadtteils sowie den Bau neuer Wohnungen um mehrere Jahre.
Unsere Erwiderung: Die jetzige Fläche des Ankunftszentrums im PHV würde bei jeglichem neuen Standort für mehrere Jahre blockiert sein. Ein Ankunftszentrum in den Wolfsgärten benötigt mindestens die gleiche Planungs- und Bauzeit, bei realistischer Betrachtung sogar einen längeren Realisierungszeitraum als im PHV. (Seite 9)
5. Haushaltsmittel verfallen: 100 Mio. € für den Neubau des Ankunftszentrums vom Land stünden nur noch ein halbes Jahr zur Verfügung.
Unsere Erwiderung: Da noch keine konkrete Planung des Ankunftszentrums vorliegt, sind für den Neubau noch gar keine Mittel im Haushalt eingestellt. (Seite 11)
6. Bisherige Planungen werden bei einer Verlegung des Ankunftszentrums innerhalb des PHV obsolet: In den Dynamischen Masterplan PHV wurde viel Zeit und Geld investiert, die dann verloren wären.
Unsere Erwiderung: Der Verbleib des Ankunftszentrums im PHV ist im dynamischen Masterplan, z.B. im Baufeld A5, gut zu integrieren. Es werden maximal 10 % der Fläche des PHV benötigt. Die gesamte Entwicklung des PHV wird dadurch nicht obsolet. (Seite 12)
7. Flächenausgleich und Fruchtbarkeit der Böden: Es gebe einen 1:1-Ausgleich für die neu versiegelten Flächen in den Wolfsgärten, sollte dort das neue Ankunftszentrum gebaut werden. Bei den Wolfsgärten handele es sich um relativ unfruchtbaren Boden, auf dem nur Mais für Biogasanlagen angebaut wird.
Unsere Erwiderung: Bei zwei der drei durch den Oberbürgermeister angebotenen Flächen handelt es sich erneut um landwirtschaftlich genutzte Flächen. Die dritte Fläche, Airfield, ist nur durch sehr aufwendige und langfristig wirkende Entsiegelungsmaßnahmen in landwirtschaftliche Flächen zurück zu verwandeln. Tatsächlich handelt es sich in den Wolfsgärten um eine Vorrangfläche mit Böden nachhaltig höchster Fruchtbarkeit. Es wird Getreide angebaut.
Das gesamte ausführliche Argumentepapier können Sie hier lesen
Resümee und Vorschlag an DIE GRÜNEN, an alle Gemeinderatsfraktionen und an die Verantwortlichen der Stadt Heidelberg
Wir schlagen vor, dass der Gemeinderat eine Machbarkeitsstudie durch Vermögen und Bau BadenWürttemberg, Amt Mannheim-Heidelberg, für ein Ankunftszentrum im PHV in Auftrag gibt. Geeignet erscheint das Baufeld A 5.
Ein städtebauliches Gutachten als Vorarbeit eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes sollte folgende Eckpunkte berücksichtigen:
1. Das Ankunftszentrum soll im PHV an neuer Stelle baulich und sozial integriert sein.
2. Es muss sowohl die Sicherheit der ankommenden Flüchtlinge gewährleisten als auch die Offenheit zum neuen Stadtquartier PHV. Das wird durch ein Maßnahmenbündel, nicht allein durch bauliche Maßnahmen gewährleistet: – moderate bauliche Sicherheitsmaßnahmen, – Sicherheitsdienst, – soziale Integration ins PHV
3. Alle Funktionsbereiche, die üblicherweise in einem Ankunftszentrum vorgehalten werden müssen, aber aus sozialintegrativen Gründen offengehalten werden können oder sollen, müssen nicht im eigentlichen Sicherheitsbereich eines Ankunftszentrums liegen, bspw. Sport- und Freizeitanlagen. Dadurch wird die Fläche für das eigentliche Ankunftszentrum reduziert und eine Mehrfachnutzung der nicht sicherheitsrelevanten Flächen ermöglicht.
4. Die bauliche Struktur des Ankunftszentrums soll so angelegt werden, dass jederzeit eine Umnutzung der Gebäude und Flächen in preisgünstiges Wohnen möglich ist.
5. Keine zusätzliche Flächeninanspruchnahme außerhalb des Siedlungsbereiches.
Wir bitten darum, dass eine Entscheidung über den Standort des Ankunftszentrums erst nach der erwähnten Machbarkeitsstudie getroffen wird.
Wir erwarten, dass unsere Argumente zur Verlegung des Ankunftszentrums im Patrick-Henry-Village berücksichtigt werden.
Charly Völker, Arzt im Ankunftszentrum Patrick-Henry-Village Heidelberg
Cornelia Wiethaler, Sprecherin NABU AK-Umweltpolitik
Dr. Dorothee Hildebrandt und Wolfgang Gallfuß, FOKUSS -Neue Mitte HD
Mia Lindemann, Asylarbeitskreis Heidelberg e.V.
Karin Weber
Kontakt: Mia Lindemann, refugeeswelcomeinphv@gmx.net
- Posted by GAL (ck)
- On 15. Mai 2020