Die Straßenbahn soll als Erstes gebaut werden
Der Gemeinderat beendet den Masterplanprozess für das Neuenheimer Feld und beschließt eine Nachverdichtung des Campus.
Von Holger Buchwald
Das Neuenheimer Feld von oben: Das Areal im Neckarbogen soll stark nachverdichtet werden, der grüne Streifen am Fluss bleibt aber erhalten. Ein Straßenbahnring soll das Gebiet verkehrlich entlasten. Foto: Kay Sommer
Heidelberg. Die Weichen für das Neuenheimer Feld sind gestellt. Nach einer lebhaften, zweistündigen Debatte und einem fast einstündigen Abstimmungschaos hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am Donnerstag beschlossen, den Masterplanprozess zu beenden. Das Stadtplanungsamt hat nun die Aufgabe, aus den Entwürfen der Planungsteams von Astoc und Kerstin Höger eine Synthese zu bilden und somit einen Masterplan zu entwerfen.
Wichtigster Kernpunkt ist die Nachverdichtung des Campus, um den zusätzlichen Flächenbedarf der dort ansässigen Einrichtungen und Kliniken von 868.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche unterzubringen. Fest steht auch, dass ein kleiner Straßenbahnring durch die Straße „Im Neuenheimer Feld“ gebaut wird und der Autoverkehr in den Norden des Campus verlagert wird. Die neue Straße soll dann auf Höhe des Technologieparks in die Berliner Straße münden.
Bis zuletzt hatten die unterschiedlichen Interessengruppen noch versucht, ihre Positionen durchzusetzen. Ein besonderer Streitpunkt war dabei das Gewann Hühnerstein im Handschuhsheimer Feld, für das die Universität seit Jahrzehnten Baurecht hat. Rektor Bernhard Eitel wies in einer Sitzungsunterbrechung nochmal auf die Rahmenvereinbarung von Uni und Stadt hin. Die Wissenschaft könne langfristig auf dieses Baurecht nicht verzichten. Bereits im Vorfeld der Sitzung hatte Eitel damit gedroht, aus dem Masterplanprozess auszusteigen. „Den Hühnerstein brauchen wir“, sagte Eitel nun auch per Video-Schalte: „Wir reichen Ihnen die Hand, bitte schlagen Sie sie jetzt nicht aus.“
Während der Stadtentwicklungsausschuss noch beschlossen hatte, dass der Hühnerstein bis 2050 nicht bebaut werden darf, milderten die Mehrheitsfraktionen von Grünen, SPD, Linke, GAL und Bunte Linke dies in einem neuen gemeinsamen Antrag ab. Jetzt heißt es nur noch, dass er langfristig als Bauflächenreserve erhalten bleibt, aber möglichst bis 2050 nicht bebaut werden soll. Diese Formulierung fand gegen die Stimmen des bürgerlichen Lagers von CDU, „Heidelberger“ und FDP eine klare Mehrheit von 26 zu 16 Stimmen.
Deutlich kontroverser ging es beim Thema der verkehrlichen Erschließung zu. CDU, „Heidelberger“ und FDP forderten, dass eine Westanbindung des Neuenheimer Feldes, also jede möglichen Variante einer Neckarquerung von Wieblingen in den Campus ergebnisoffen geprüft werden solle. „Wenn eine Seilbahn diskutiert wird, sollte das auch für eine Brücke gelten, über die Rettungswagen zu den Kliniken fahren können“, forderte die Fraktionschefin der „Heidelberger“, Larissa Winter-Horn. Die besten Ergebnisse hinsichtlich einer Reduzierung des Autoverkehrs erziele eine Brücke für den Umweltverbund, die also auch von Straßenbahnen oder Bussen genutzt werden könne. Ähnlich sah dies Ingo Autenrieth, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums. „Wir brauchen dringend eine Westerschließung, durch die uns die Mitarbeiter, vor allem aber die Notfallpatienten gut erreichen können“, sagte er. Vor dem Hintergrund des Wachstums der Kliniken sei die aktuelle Situation nicht tragbar.
Große Verwirrung herrschte unter den Stadträten, als Oberbürgermeister Eckart Würzner diesen Unterpunkt zur Abstimmung stellte. Auf einmal hatte die Prüfung sämtlicher möglicher Westerschließungen, inklusive massiver Straßenbahnbrücke, eine Mehrheit von 18 zu 17 Stimmen. Einige Stadträte, die digital zur Sitzung zugeschaltet waren, hatten nicht mitgestimmt. Lautstark forderten daraufhin die Grünen Derek Cofie-Nunoo und Christoph Rothfuß eine Wiederholung der Abstimmung – nicht allen sei klar gewesen, worüber überhaupt abgestimmt werde. Hintergrund: Die große Brücke würde über das Naturschutzgebiet des Wieblinger Altneckars führen und wird daher von den Bewohnern des Stadtteils und den Umweltverbänden abgelehnt – und eigentlich sind auch die Grünen gegen eine Straßenbahnbrücke.
CDU-Fraktionschef Jan Gradel sprach sich gegen eine Wiederholung der Abstimmung aus und warf den Grünen ein bewusstes Manöver vor: Sie setzten Abweichler in der eigenen Fraktion „massiv“ unter Druck. Auch Würzner wollte es zunächst beim ersten Ergebnis belassen, während Cofie-Nunoo erbost gegen Gradels Unterstellungen protestierte. Erst nach einer längeren Sitzungsunterbrechung und Einschaltung des städtischen Rechtsamts wurde die Abstimmung wiederholt. Während der Unterbrechung zeigte die Videoübertragung aus dem Rathaus, wie Mitglieder aller Fraktionen aufgesprungen waren, Würzner umringten und auf ihn einredeten.
Grüne, SPD, GAL, Linke und „Bunte Linke“ simmten am Ende doch noch für ihren eigenen Antrag. Danach sollen die Reduzierung der Autostellplätze, die Einführung kostendeckender Parkgebühren und eine standortunabhängige Fuß- und Radbrücke über den Neckar ebenso geprüft werden wie eine Seil- oder Otto-Hochbahn, aber keine Straßenbahnbrücke. Am Ende gab es 25 Ja- und 15 Nein-Stimmen und eine Enthaltung von Julian Sanwald (Grüne). Adrian Rehberger (SPD) blieb aus Protest gegen das vorangegangene Chaos der Abstimmung fern.
Das Stadtplanungsamt hat nun die Aufgabe, im Neuenheimer Feld zunächst den Bebauungsplan für den Straßenbahn-Ring in Angriff zu nehmen. Auch dieser Antrag von Grünen und SPD fand mit 27 zu 15 eine deutliche Mehrheit.
- Posted by GAL (ck)
- On 21. März 2022