Jugendliche fehlen bei der Diskussion um die Neckarwiese – offener Brief von YTT
GAL Stadträtin Judith Margraf hat es bereits vor Wochen gesagt: „…So geht das nicht. Wir brauchen Lösungen. Restriktionen sind meist ein Hinweis auf Ratlosigkeit. Wenn es in der städtischen Vorlage heißt: „So wurden im Vorfeld mit allen betroffenen Gruppen (Anwohnern, Polizei, sowie städtischen Ämtern) intensive Gespräche geführt, um Lösungsmöglichkeiten zu finden“, dann fehlt da doch wer: Die NutzerInnen der Neckarwiese!…
Jetzt hat sich eine Gruppe „Youth Think Tank – YTT“ mit einer Presserklärung an die Öfentlichkeit gewandt:
DIE JÜNGSTE STADT DEUTSCHLANDS BIETET KAUM RAUM FÜR IHRE JUGEND – OFFENER BRIEF DES YOUTH THINK TANK HEIDELBERG
Wir, der Youth Think Tank Heidelberg, haben es uns zum Ziel gesetzt, ernsthafte Jugendbeteiligung einzufordern und Adultismus – die Bevormundung und den Ausschluss junger Menschen aufgrund ihres Jungseins – zu bekämpfen.
Deswegen sehen wir es als nötig an, uns zu der aktuellen Lage klar und deutlich zu positionieren, denn es sind wir Jugendliche, die unter der Sperrung der Neckarwiese und der chaotischen Handhabung der Unteren Straße zu leiden haben.
Die letzten anderthalb Jahre mit allen Social Distancing Maßnahmen und Lockdowns waren eine Zeit großer Entbehrungen. Nach anhaltender solidarischer Zurückhaltung besteht bei Vielen von uns nun das Bedürfnis nach Ausgelassenheit, Freiheit und Selbstbestimmung.
Als einer der wenige Orte in Heidelberg ist die Neckarwies ein offener Ort, an dem man sich ohne Geld ausgeben zu müssen treffen kann. Daher wehren wir uns entschieden dagegen, Treffen auf der Neckarwiese zu kriminalisieren und uns junge Menschen unverhältnismäßig zu bestrafen. Dass an den vergangenen Wochenenden Sachbeschädigungen und Landfriedensbrüche begangen wurden, ist nicht zu rechtfertigen. Doch an den Aggressionen Einzelner sollte man die Heidelberger Jugend weder messen noch kollektiv bestrafen.
Der Umgang der Stadtverwaltung mit den Geschehnissen auf der Neckarwiese hat gezeigt, dass das Thema Adultismus zu unserem Bedauern nicht als Problem angesehen wird. In unserer Wahrnehmung reiht sich dieses Verhalten in eine Reihe von Entscheidungen ein, in der die Bedürfnisse junger Menschen in Heidelberg offensichtlich hinten angestellt werden. Wir wurden im gesamten Prozess der
Lagebewertung und Lösungsfi ndung weder gefragt noch rechtzeitig einbezogen. Die Stadtverwaltung hat entschieden, was für die Stadt am einfachsten ist, ohne unsere Bedürfnisse zu respektieren, geschweige denn uns nach unseren Ideen und Meinungen zu Fragen!
Dabei ist das Problem von immer weniger werdenden Freiräumen für junge Menschen in Heidelberg keineswegs neu. Die Sperrung der Neckarwiese ab 21 Uhr stellt in dieser Hinsicht eine Provokation und Verschärfung des Problems dar. Es fehlt schlichtweg an einer mittel- und langfristigen Lösung, denn in Heidelberg gibt es aktuell keine guten Alternativen und Angebote für junge Menschen, die zu
einer Zufriedenstellung der Beteiligten führen würden.
In dieser Debatte sollten die besten Ideen die Diskussion rund um die Lösung der Probleme dominieren und Ethnien und Nationalitäten von einzelnen Individuen keine Rolle spielen. Von uns Heidelberger*innen hat mindestens jede*r Dritte eine Migrationsgeschichte. Deswegen verurteilen wir die Aussage von Bürgermeister Wolfgang Erichson, dass die Mehrheit der Randalierer „Deutsche mit
Migrationshintergrund“ seien. Randalieren ist immer falsch und zu verurteilen, egal wer randaliert.
Wir sehen in der ungenügenden Beteiligung und den fehlenden Freifl ächen die Kernprobleme in der aktuellen Situation, denn obwohl Heidelberg sich immer wieder mit dem Titel der jüngsten Städte Deutschlands schmückt, kann man hier nicht von einer ernsthaften Jugendbeteiligung und angemessenen Angeboten für junge Menschen sprechen.
Deswegen fordern wir:
• eine Planung von Projekten für Jugendliche, die auch wirklich mit Jugendlichen stattfi ndet.
• die Legitimation der Maßnahmen auf der Neckarwiese durch Akteur*innen, die die Interessen junger
Menschen ernsthaft vertreten. Wie zum Beispiel der Jugendgemeinderat, die Jugendparteiorganisationen,
der Youth Think Tank und weitere Gruppen.
• eine rassismuskritische Prozessbegleitung, um weitere Verurteilungen von Menschen mit Migrationsbiographie
zu vermeiden.
• die Suche nach und Öffnung von weiteren Freiflächen, z.B Airfi eld oder Ochsenkopfwiese.
• die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der bestehenden Verbote.
• eine gemeinsam mit Jugendlichen, Sozialarbeiter*innen und Kulturschaffenden erarbeitete Präventions-
und Awareness-Strategien gegen Gewalt und für eine positive Feierkultur in Heidelberg.
• die gemeinsame Erarbeitung einer langfristigen Planung für die Zukunft von Jugend- und Gegenwartskultur
in Heidelberg.
• dass junge Menschen mitentscheiden dürfen, wenn es um Themen geht, die sie betreffen.
Youth Think Tank Heidelberg Email: ytt@dai-heidelberg.de… Instagram: @youththinktank
Heidelberg, den 15.07.2021
- Posted by GAL (ck)
- On 19. Juli 2021