Partnerschaftsreise nach Rehovot
Von Hans-Martin Mumm.
Vom 5. bis 9. März besuchte eine Delegation der Stadt Heidelberg die Partnerstadt Rehovot in Israel. Unter Leitung von OB Würzner bestand die Delegation aus fünf Mitgliedern des Gemeinderats; Otto Knüpfer und Jochen Reder vom Freundeskreis standen für Ortskenntnis und Kontinuität der persönlichen Beziehungen; Viola Schwabbaur vom OB-Referat räumte souverän alle Schwierigkeiten aus dem Weg.
Die Partnerschaft besteht seit 35 Jahren, nachdem ihr bereits Kontakte auf wissenschaftlicher Ebene vorausgegangen waren. Beide Städte verbindet eine Reihe paralleler Strukturen: ähnliche Bevölkerungszahl, Nähe zu einem Ballungszentrum, Wachstumsdruck und die Dominanz wissenschaftlicher Einrichtungen.
Die Stadt Rehovot wurde 1890 gegründet. Der Name – ein Plural – bedeutet „weite Felder“ oder auch „breite Straßen“. Er kommt als Rehobot schon in der Bibel als edomitische Königstadt vor (Gen 36, 37). Der biblischen Erzählung nach waren die Edomiter die Nachkommen Esaus, also auch Abrahams und Isaaks, aber eben nicht Jakobs. Diese Differenz muss den aus Warschau stammenden zionistischen Siedlern von 1890 bewusst gewesen sein.
Die Delegation aus Heidelberg wurde von den Verantwortlichen der Stadt Rehovot und dem dortigen Freundeskreis mit großer Herzlichkeit und überwältigender Gastfreundschaft empfangen und begleitet. Am ersten Tag nach der Anreise stand Rehovot selbst im Mittelpunkt. Gleich morgens um acht wurde der neue Heidelbergplatz eingeweiht. Der Festakt wurde von Schülerinnen und Schülern moderiert und künstlerisch begleitet. Alles war open Air, denn es herrschten 30 Grad − für uns, die wir aus deutscher Kälte gekommen waren, sehr angenehm. Der neue Platz erwies sich als ein verkehrsberuhigender, aber wenig fußgängerfreundlicher Kreisverkehr. In seiner Nähe wurde eine Tafel enthüllt, die an den Heiliggeistpfarrer Hermann Maas erinnert. Zwei Straßenecken weiter sahen wir die schon länger so benannte „Dr.-Hermann-Maas-Straße“.
Die nächste Station war eine technologieorientierte Reformschule, in deren Leitlinien uns die Direktorin einführte. Ein weiterer Fachvortrag widmete sich der digitalen Vernetzung. Rehovot hat ein im Boden vergrabenes Glasfasernetz verworfen und setzt auf drahtlose Verbindungen in der Höhe. Diese Lösung passt auf eine bergelose und hochhausreiche Stadt und ist deshalb auf Heidelberg nicht übertragbar. Kooperieren ließe sich dennoch. In einem Schullabor führten uns Schülerinnen und Schüler ihre selbstgebauten Roboter vor. Bei der Vorstellung der Heidelberger Delegation durch unsern OB stieß die Parteizugehörigkeit von Thomas Barth und Monika Meißner auf großes Hallo der Gastgeber, weil die Große Koalition in Israel allgemein sehr begrüßt wurde.
Das Weizmann-Institut wurde 1934 gegründet. Es umfasst heute einen Campus von einem Quadratkilometer, auf dem 2600 Studierende und Wissenschaftler tätig sind. Sein Zweck ist die technologische, medizinische und agrarwissenschaftliche Grundlagenforschung und es genießt weltweiten Ruf. Höhepunkt unserer Besichtigung war ein Gespräch mit dem Präsidenten Prof. Daniel Zajfman, der unserem OB zusagte, als Berater für Heidelbergs Innovation Park tätig zu sein. Als ich ihn fragte, ob es vielleicht Differenzen oder gar Konflikte zwischen dem Institut und der Stadt Rehovot gebe, kam ein kurzes Lachen. Das reichte mir fast als Antwort. Zu hören war dann noch von einem Streit um die Grundsteuer, von der Weizmann sich ausgenommen sieht, aber auch ein Lob des Bürgermeisters.
Das Start-up „Applied Materials“, das wir am Nachmittag besuchten, erwies sich als Niederlassung eines weltweit tätigen Konzerns im Bereich der Chip-Produktion. Wir alle mussten Schutzkleidung anlegen, um die staubfreien Werkshallen betreten zu dürfen, und liefen wie Gespenster umher. Wir hörten Vorträge über Genauigkeiten im Nanobereich und bestaunten die elektronenmikroskopischen Vergrößerungen. Im Rathaus von Rehovot kam es zu einem improvisierten Austausch zur Kommunalpolitik. Bürgermeister Rahamim Malul und einige Stadtverordnete stellten sich unseren Fragen nach Verkehr, Wohnungspolitik, Weizmann, nach Wahlmodus und Zuständigkeit der Gremien. Aber schon kamen die Fotografen zum nächsten Gruppenbild.
Die Zeitpläne waren längst Makulatur. In Jerusalem sahen wir die Stadt bei Nacht. Knappe vier Stunden zogen wir treppauf treppab entlang von alten und neuen Mauern. Von unserem Guide lernten wir, dass es in Jerusalem keine Fakten gebe, sondern nur Erzählungen: die Schöpfung mit Adams Grab beim Golgatha-Hügel, Abraham als Erzvater dreier Weltreligionen und David, der die zwölf Stämme Israels vereinigte. Damit waren wir angefüttert. Der vorgesehene Routenplan wurde umgestoßen und für den zweiten Tag eine weitere Fahrt nach Jerusalem eingeschoben. Ein neuer Guide führte uns weitere vier Stunden zur Grabeskirche, zur Klagemauer und anderen Sehenswürdigkeiten. In der Altstadt sahen wir Lastwägen und Traktoren mit halber Spurbreite. Ein Vorbild auch für unsere Altstadt? Ich denke, eher ein Horror. Noch die engste Gasse würde so befahrbar, und die Unverträglichkeiten potenzierten sich.
In einer langen Fahrt durch das Jordantal, also durch die besetzte Westbank, kamen wir abends zum See Genezareth. Nach der Besichtigung des Berges der Seligpreisungen hatten wir endlich Zeit zu verschnaufen. Dem Seeufer war die Dürre der letzten Jahre abzulesen. Aus der Mitte der Delegation kam der Vorschlag, die Kollegen Barth und Mumm sollten schwimmen gehen, dann würde der Wasserspiegel bedeutend steigen. Dem ließ sich entgegenhalten, dass solche Aktionen wenig nachhaltig seien, weil wir ja weiter mussten.
Am dritten Tag ging es nach Nazareth, wo wir den Pilgerkitsch rund um die Verkündigungskirche bestaunen konnten. Mit Haifa lernten wir eine Stadt kennen, in der heute Juden und Araber sowie Juden, Christen, Muslime, Drusen und die Anhänger der Bahai-Religion vergleichsweise konfliktfrei nebeneinander leben. Unsere zweitägige Rundfahrt endete in Tel Aviv an der Stelle, an der am 4. November 1995 Jitzchak Rabin ermordet wurde.
Am vierten Tag ging es morgens um fünf zum Flughafen. In den Tagen danach war einiger Schlaf nachzuholen.
Die Dr.-Hermann-Maas-Straße in Rehovot
Schülerinnen und Schüler präsentieren ihre selbstgebauten Roboter.
Weizmann-Präsident Prof. Daniel Zajfman im Gespräch mit der Heidelberger Delegation
Die Grabeskirche in Jerusalem war geöffnet und voller Pilger aus aller Welt.
Fotos: Viola Schwabbauer, OB-Referat
- Posted by Hans-Martin Mumm
- On 15. März 2018