PHV-Altbauten und Abrissbirne
Für die Entwicklung des Patrick-Henry-Village sollen viele Altbauten abgerissen werden. Das sorgt für Kritik.
21 solcher Zeilenbauten stehen im Süden von Patrick-Henry-Village. Fünf werden demnächst komplett abgerissen, fünf weitere zur Hälfte. Elf bleiben im Ganzen erhalten. Foto: Philipp Rothe
Von Denis Schnur
Heidelberg. Wo bis 2013 US-Soldaten lebten und sich seitdem vor allem Pflanzen und Hasen ausbreiten, entsteht Heidelbergs 16. Stadtteil. Und Patrick-Henry-Village (PHV) soll nicht irgendein Wohnquartier werden, sondern der „Stadtteil der Zukunft“. Um dort aber moderne Wohnungen und Einrichtungen zu bauen, wollen Stadt, Bund und die Internationale Bauausstellung einen Teil der alten Gebäude in der ehemaligen US-Siedlung abreißen.
Doch die Pläne sorgen immer wieder für Kritik – bei einem Teil des Gemeinderates ebenso wie bei Klimaschützern. So plädieren die „Architects for Future“ und der Naturschutzbund dafür, möglichst viele Bauten stehenzulassen. Schließlich sei die „graue Energie“, die in die Produktion von Materialien fließe, beim Bauen der mit Abstand wichtigste Faktor für die Klimabilanz. Eine Sanierung im Bestand sei fast immer nachhaltiger als ein Neubau – egal, wie gut der gedämmt ist.
Im Stadtrat ist es unter anderem Stadtrat Bernd Zieger (Die Linke), der sich dafür einsetzt, dass die Altbauten eine Zukunft haben. Er begründet das vor allem damit, dass Mieten in Bestandsgebäuden in der Regel günstiger sind. Deshalb sollten Wohngebäude möglichst immer erhalten werden. Zieger bezieht sich auf ein städtisches Gutachten von 2015, laut dem sich damals 80 Prozent der Gebäude in PHV in einem sehr guten, guten oder mittleren Zustand befanden.
2020 hat ihm die Stadtverwaltung jedoch mitgeteilt, dass nur „knapp 27 Prozent“ des Bestandes erhalten werde. Zu wenig, findet der Stadtrat: „In den ehemaligen Kasernen der Südstadt konnten auch frühzeitig in Bestandsgebäuden geförderte Wohnungen geschaffen werden. Warum sollte das nicht auch auf PHV möglich sein?“
Bei der Stadt hält man das jedoch nicht für so einfach, wie ein Sprecher erläutert. So sei das Gutachten von 2015 nur noch begrenzt gültig: „Aufgrund des Leerstandes ist von einer Verschlechterung des Zustandes auszugehen.“ Bei ehemaligen US-Bauten in der Südstadt habe man zudem die Erfahrung gemacht, dass auch Gebäude in eigentlich gutem Zustand oft aufwendig saniert werden müssten – etwa weil die Infrastruktur erneuert oder Schadstoffe beseitigt werden müssten. „Die weitverbreitete Ansicht, dass man nur ein paar Schlösser austauschen muss, ist jedenfalls grundlegend falsch“, betont der Sprecher.
Das zeige sich auch im Süden von PHV, wo der Bund in diesem Jahr mit der Entwicklung startet. Von den 21 Zeilenbauten dort wurde 2015 vieren ein schlechter Zustand attestiert. Eine erneute Untersuchung 2020 habe jedoch ergeben, dass fünf Gebäude stark beschädigt seien und fünf weitere hohen Sanierungsaufwand aufwiesen. Entsprechend werden nun fünf Bauten ganz und fünf zur Hälfte abgerissen, nur elf bleiben komplett erhalten.
Zudem sei bezahlbarer Wohnraum zwar ein Kernziel für PHV. „Es ist aber weder für dieses Ziel noch für die Entwicklung eines durchmischten, vitalen Stadtteils sinnvoll, den Bestandserhalt über alles andere zu stellen“, so der Stadtsprecher. Man wolle schließlich einen selbstständigen klimaneutralen Stadtteil entwickeln, in dem 5000 Menschen arbeiten, 10.000 Menschen wohnen und ihre Freizeit verbringen. „Das kann nicht verwirklicht werden, wenn alles so stehen bleiben soll, wie es heute ist.“
Dennoch sollten mehr als nur „knapp 27 Prozent“ der Gebäude stehen bleiben – auch wenn noch unklar sei, wie viele es genau sein werden: „Der Dynamische Masterplan für PHV sieht einen hohen Anteil an Bestandserhaltung vor.“ Jedoch müsse man auf manchen Flächen die „Monostruktur“ der Gebäude aufbrechen, um dichter und unterschiedlicher zu bauen und den Platz effizienter zu nutzen. So gebe es Baufelder, wo sich in den Bestandsgebäuden 300 Wohnungen befinden, der Masterplan jedoch über 1000 vorsieht. „Bestandserhalt hätte hier als Konsequenz: Es stünde deutlich weniger Wohnraum zur Verfügung.“ Und dann sei nicht mal klar, ob dieser gefördert sein könnte. „Denn die bestehenden Wohnungen sind größer, als es die entsprechenden Landesgesetze vorsehen.“ In Neubauten könne man dagegen Sozialwohnungen mit kompakten und attraktiven Zuschnitten realisieren.
RNZonline 25.01.2022
- Posted by GAL (ck)
- On 25. Januar 2022