Redebeitrag von Gerd Guntermann bei der Demonstration für Inklusion und Barrierefreiheit
Redebeitrag unseres Gemeinderatskandidaten Gerd Guntermann bei der Demonstration für Inklusion und Barrierefreiheit am 5. Mai 2019 in Heidelberg:
„Barrierefreiheit in der Information, Kommunikation und baulichen Beschaffenheit ist Voraussetzung für einen inklusiven gesellschaftlichen Ansatz.
Erst 2009 wurde in Deutschland das gemeinsame Lernen von Schülern mit und ohne Behinderung als Menschenrecht erkannt und Inklusion in den Bildungskanon übernommen. Alle Schüler – ob mit oder ohne sozialpädagogischen Förderbedarf – haben seitdem das gleiche Recht, eine Regelschule zu besuchen. Das gilt für Grund- wie weiterführende Schulen.
Doch nach 10 Jahren läuft die Inklusion immer noch schleppend. Bei Kindern mit Lernschwierigkeiten oder sprachlichem Förderbedarf ist der Inklusionsanteil relativ hoch, bei Schülern mit sozial-emotionalem Förderbedarf
– z.B. Autismus – sogar leicht gegenläufig. Sie werden häufiger in Förderschulen beschult als noch 2008.
Ein selektives Schulsystem hat hierzulande Tradition.
Für Schüler mit Behinderung gab und gibt es Sonderschulen, spezialisiert auf körperliche Einschränkungen oder geistige Behinderung. Hier werden Kinder in kleinen Gruppen von Sonderpädagogen unterrichtet, oft mit Unterstützung von Therapeuten und Pflegekräften. Barrierefreiheit und Pflegeräume sind hier kein Problem – also Bedingungen, von denen die meisten Regelschulen nur träumen können. Dort fehlt es an zusätzlichen Lehrkräften, Sonderpädagogen und Schulbegleitern, barrierefreien Schulgebäuden und Fortbildungen für Pädagogen vor Ort.
In Baden-Württemberg – man höre und staune! – ist der Anteil von behinderten Schülern in Sonderschulen in den letzten 10 Jahren sogar um 0,2 % gestiegen. Dieses klägliche Ergebnis ist kein Indiz für eine zielstrebige Inklusionspolitik, sondern für einen fast vollständigen Separationsstillstand!
Das unbedingte Minimalkriterium einer echten Inklusionsreform muss eine stetige Minimierung der Förderschulquote sein. Immer weniger Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sollten auf Sonderschulen gehen!
Inklusionspolitik muss nachholen, was sie bislang vermissen ließ:
1. Ein klares bildungspolitisches Bekenntnis zum Primat der Inklusion. Die gegenwärtige Politik ist halbherzig und
unglaubwürdig.
2. Ein klares Bekenntnis zum Abbau der Separation und zum progressiven Rückbau des Sonderschulsystems.
3. Eine Verpflichtung aller Schulen zur Inklusion.
Diese Forderungen an die Schulpolitik lassen sich modifiziert auch auf andere gesellschaftlichen Bereiche übertragen.
Danke, dass Ihr mich in Eure Demo inkludiert habt!“
Rhein-Neckar-Zeitung 7. Mai 2019
- Posted by GAL (ck)
- On 7. Mai 2019