„Schöne Werbung“
In der Hauptstadt der deutschen Romantik werben wir mit Leichenschmaus. Direkt neben der Werbung für biologische Nahrung und internationale Spezialitäten lädt man Sie ein, die „knackfrischen Leichen“ optisch zu goutieren. „Wir können auch garantieren, dass der Plastikanteil Ihnen nicht zu sehr auf den Magen schlägt.“ Der Anblick plastinierter Leichen beim Mittagessen bleibt auf jeden Fall prägender als der auf das Heidelberger Schloss. So eröffnet sich der Blick des Neubürgers auf die Stadt im Jahr 2018.
Als ich 1986, also vor etwa 30 Jahren, nach Heidelberg kam, hatte ich als junger Architekturprofessor gerade eine Ausstellung über den Maler und Städtebauarchitek-ten Le Corbusier für Frankfurt realisiert. Meine Wertschätzung der Moderne war immer gepaart mit einer Wertschätzung für die historisch gewachsene Stadt. Was schien mir also geeigneter als in Heidelberg zu leben? Seitdem habe ich an vielen Hochschulen und in vielen Städten gearbeitet und gelehrt, – über das „bauhaus“ und über den Städtebau vor dem Krieg, den ich als Modell nahm. Es ist keine leere Romantik, dass so viele junge Leute hierher kommen. Sondern sie haben entdeckt, dass „Heidelberg pflegen und erhalten“ in unserer Zeit durchaus modern ist. Moderner als plastinierte Leichenteile.
- Posted by Thilo Hilpert
- On 4. Dezember 2018