Streit um möglichen Termin für Bürgerentscheid Wolfsgärten
Am Montag 9. November 2020 wurden insgesamt 9.645 gültige Unterschriften vom BAFF (Bündnis für Ankunftszentrum, Flüchtlinge und Flächenerhalt) für einen Bürgerentscheid, der sich gegen den Neubau der Landeseinrichtung auf dem Areal Wolfsgärten richtet, abgegeben. Die Mindestzahl für ein Bürgerbegehren ist somit erfüllt.
Der Gemeinderat wird nun in seiner Sitzung am 17. Dezember 2020 über die Durchführung eines Bürgerbegehrens entscheiden. Erstmals befassen sich die Räte mit dem Thema in öffentlicher Sitzung im Haupt- und Finanzausschuss am 24. November 2020, in der auch über den Termin für einen Bürgerentscheid gesprochen wird. Angedacht ist der 11. April 2021, dieser Termin liegt allerdings in den Osterferien.
Presseinformation der Stadt Heidelberg vom 11.11.2020
Neubau des Landes-Ankunftszentrums: Ausreichende Stimmenzahl für Durchführung eines Bürgerentscheids
Der Heidelberger Gemeinderat hat am 18. Juni 2020 der Verlagerung des Ankunftszentrums des Landes für Flüchtlinge vom provisorischen Standort Patrick-Henry-Village (PHV) auf das Areal Wolfsgärten zugestimmt. Auf der frei werdenden Fläche soll das Zentrum eines neuen Heidelberger Stadtteils mit Wohnraum für 10.000 Menschen entstehen. Gleichzeitig erhielte das Ankunftszentrum mit dem Neubau eine sichere Perspektive.
Das Bündnis für Ankunftszentrum, Flüchtlinge und Flächenerhalt hat einen Bürgerentscheid gegen den Neubau der Landeseinrichtung auf dem Areal Wolfsgärten beantragt. Sie hat hierzu am 9. November 2020 insgesamt 9.645 gültige Unterschriften von wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern in Form eines sogenannten Bürgerbegehrens abgegeben. Damit ist die Mindestzahl von notwendigen sieben Prozent der Wahlberechtigten in Heidelberg für ein Bürgerbegehren erfüllt.
Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck nahm die Unterschriften entgegen. Gemeinsam mit Oberbürgermeister Prof. Dr. Eckart Würzner erklärte er hierzu: „Wir halten den Gemeinderatsbeschluss vom Juni dieses Jahres zur Verlagerung des Ankunftszentrums auf das Areal Wolfsgärten bei dem begrenzten Flächenangebot, welches wir noch in Heidelberg für Wohnnutzung beziehungsweise für ein Ankunftszentrum haben, für die beste Lösung. Der Gemeinderat hat damit zwei Dinge sichergestellt: Er ermöglicht die Entwicklung eines nachhaltigen Stadtteils mit Wohnraum für 10.000 Menschen. Und gleichzeitig bietet der Gemeinderat eine sichere Zukunft für das Ankunftszentrum des Landes. Heidelberg ist die einzige Stadt in Baden-Württemberg, die dem Land eine Fläche für seine Flüchtlings-Aufnahme anbietet. Wer dies ablehnt, entzieht dem Zentrum seine Perspektive.“
Der Gemeinderat wird nun in seiner Sitzung am 17. Dezember 2020 über die Durchführung eines Bürgerbegehrens entscheiden. Erstmals befassen sich die Räte mit dem Thema in öffentlicher Sitzung im Haupt- und Finanzausschuss am 24. November 2020, bei dem auch über den Termin für einen Bürgerentscheid entschieden wird. Angedacht ist der 11. April 2021.
Bürgerbegehren gegen die Verlagerung des Ankunftszentrums für Flüchtlinge
in Heidelberg an den Standort „Wolfsgärten“
Vertrauenspersonen:
Sigrid Zweygart-Pérez, Fehrentzstraße 10, 69115 Heidelberg
Dr. Dorothee Hildebrandt, Bahnhofstraße 47; 69115 Heidelberg
Dr. Edgar Wunder, Felix-Wankel-Straße 7, 68535 Edingen-Neckarhausen
11.11.2020
PRESSEMITTEILUNG
Den Bürgerentscheid in die Osterferien zu legen wäre ein gezieltes Foulspiel
In Ihrer heutigen Pressemitteilung teilt die Stadt Heidelberg nicht nur mit, dass das Bürgerbegehren gegen eine Verlegung des Ankunftszentrum in die „Wolfsgärten“ mit 9645 geprüften gültigen Unterschriften sicher zustande gekommen ist. Der eigentliche „Knaller“ findet sich beiläufig im letzten Satz: Entgegen allen bisherigen Diskussionen, den Bürgerentscheid mit dem Termin der Landtagswahl am 14.3.2021 zusammenzulegen, sei durch die Stadt nun „angedacht“, den Bürgerentscheid in die Osterferien zu legen (11.4.2021)! Das wäre nicht nun unvernünftig, sondern ein bewusstes Foulspiel.
Zurecht werden Wahlen und Abstimmungen niemals in die Ferienzeit gelegt, um die Wahlbeteiligung nicht zu beeinträchtigen. Wer ernsthaft mit der Absicht spielt, den Bürgerentscheid in die Osterferien zu legen, muss an einer möglichst geringen Abstimmungsbeteiligung interessiert sein, um ein Scheitern am Quorum und damit einen ungültigen Bürgerentscheid zu provozieren. Offenbar glaubt die Stadt schon selbst gar nicht mehr daran, den Bürgerentscheid noch gewinnen zu können. Deshalb strebt sie dessen Ungültigkeit durch eine gegen jede Konvention verstoßende Terminierung in den Osterferien an. Dadurch könnte die gleiche Situation eintreten wie schon beim Ochsenkopf-Bürgerentscheid: Keine Befriedung, keine Entscheidung, nochmals monatelange Debatten und Verzögerungen, und schließlich eine äußerst knappe Zufallsentscheidung im Gemeinderat, von der heute noch niemand mit Sicherheit wissen kann, wie sie nach einem für die Bürgerinitiative klar gewonnenen und lediglich am Quorum gescheiterten Bürgerentscheid ausginge. An einer solchen Entwicklung kann niemand mit Verantwortungsbewusstsein ernsthaft interessiert sein. Alle Demokraten – egal ob für oder gegen den Standort Wolfsgärten – sollten an einer gültigen Abstimmung und somit einem verbindlichen Ergebnis interessiert sein, egal wie es ausgeht. Das ist mit einem Termin in den Osterferien unvereinbar.
Es spricht alles für eine Zusammenlegung des Bürgerentscheids mit dem Termin der nur vier Wochen vorher stattfindenden Landtagswahl (14.3.2021), wie dies auch andere Gemeinden – z.B. aktuell Hirschberg – ganz selbstverständlich bei Bürgerentscheiden tun. Durch eine Kombination mit dem Landtagswahltermin entstünde für die Stadt ein weit geringerer Organisationsaufwand. Sie könnte dadurch Kosten von größenordnungsmäßig 100.000 Euro einsparen. Die Wählerinnen und Wähler müssten dann nicht kurz hintereinander zweimal in die Wahllokale, sondern könnten alles in einem Aufwasch erledigen. Und nicht zuletzt: Weil durch die vielen Sozialkontakte bei der Durchführung der Wahl und der Abgabe der Stimmen zweifelsohne auch ein gewisses Corona-Infektionsrisiko besteht, wäre es gegenwärtig geradezu unverantwortlich, dies in kurzem Abstand zweimal hintereinander durchzuführen, statt einen einzigen Termin für Bürgerentscheid und Landtagswahl zusammen anzusetzen.
Auch das Argument, das Thema des Bürgerentscheids solle aus dem Landtagswahlkampf herausgehalten werden, ist schlicht absurd und offenkundig vorgeschoben. Denn die Positionierung zum Ankunftszentrum wird in Heidelberg auf jeden Fall ein Top-Wahlkampfthema zur Landtagswahl sein – ganz egal, ob der Bürgerentscheid nun am Tag der Landtagswahl oder kurz darauf stattfindet. Oder wird das politische Gedächtnis der Bürgerschaft wirklich so kurz eingeschätzt, dass sie nicht vier Wochen im Voraus denken könnten? Alle Parteien in Heidelberg werden sich unvermeidlich bereits zur Landtagswahl klar und eindeutig zum Thema des Bürgerentscheids positionieren müssen. Parteien, die ein derart leicht durchschaubares Foulspiel mitmachen würden, einen Bürgerentscheid in die Ferienzeit zu legen, werden bereits am Tag der Landtagswahl die Quittung für solche Spielchen bekommen. Selbstverständlich sind Wählerinnen und Wähler auch geistig in der Lage, zwischen ihrer Meinung zum Thema des Bürgerentscheids und ihrer Meinung zur Landespolitik zu unterscheiden, weshalb absolut nichts dagegenspricht, warum sie diese beiden Stimmen nicht am gleichen Tag abgeben sollten.
Die Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens rufen dazu auf, den demokratischen Anstand zu achten, Wahlen und Abstimmungen grundsätzlich nicht in die Ferienzeit zu legen, und einen offenen Dialog mit allen Beteiligten zu führen, statt durch Machtpolitik dubiose Wahltermine durchsetzen zu wollen.
gez.
Edgar Wunder
Rhein-Neckar-Zeitung 12.11.2020
- Posted by GAL (ck)
- On 12. November 2020