Debatte – Wo ist Bergheims Mitte?
Jahresauftaktveranstaltung des Stadtteilvereins Bergheim
4. April 2019, Dezernat 16
Festrede von Stadtrat Hans-Martin Mumm zum Thema „1250 Jahre Bergheim“, Schlusskapitel
IV. Bergheim fehlt eine Mitte
Wenn wir uns Heidelberg als eine Wohnung vorstellen, dann wäre die Altstadt die Studierstube; Weststadt und Neuenheim Wohn- und Schlafzimmer, Handschuhsheim der Blumengarten und der Pfaffengrund die Werkstatt. Und Bergheim? Bergheim wäre die Diele, der Flur mit vielen Türen in andere Zimmer, gedacht lediglich zur Passage.
Das neuzeitliche Bergheim begann 1840 mit der Eisenbahn, ergänzt 1885 um die Pferdebahn mit ihren Stallungen, 1902 dann um die elektrische Straßenbahn mit dem Depot. Zwei Brücken und ein Steg führen über den Neckar, eine dritte Brücke ist wieder verschwunden. Im Westen mündet die Autobahn, die Bergheimer Straße verlor ihre Vorgärten, um den vermehrten Verkehr aufzunehmen. In den 1960er Jahren wurden die Uferstraßen autogerecht ausgebaut. Und auch für die angedachte Fahrradbrücke ins Neuenheimer Feld ist Bergheim nur ein Verkehrshindernis.
Wenn Sie den Eindruck haben, ich übertreibe hier etwas, dann täuschen Sie sich nicht ganz. Gerne zähle ich dagegen auf, welche lohnenden Ziele hier angesiedelt sind. Das fing einmal an mit drei Bädern, von denen es das Thermalbad heute noch gibt. Dazu gehört inzwischen eine große Zahl von Bildungs- und Kultureinrichtungen: Stadtbücherei, Volkshochschule, Kulturfenster, Akademie für Ältere, Täter-Theater, Sammlung Prinzhorn sowie die Musik- und Singschule. Das jüngste Glied in dieser Reihe ist das Multifunktionshaus des Dezernats 16, dessen Gastfreundschaft wir heute genießen.
Dem Stadtteil Bergheim fehlt es nicht an lohnenden Zielen, sondern an einer städtebaulichen Mitte. Seit dem Bau der Bahnstadt ist Bergheim stärker in die Mitte der Stadt gerückt, sodass der Mangel einer eigenen Mitte noch deutlicher zu spüren ist. Der Alfons-Beil-Platz, vor über 100 Jahren als Messplatz angelegt, kann heute keine Mittelpunktfunktion erfüllen, trotz seiner Lage an der Bergheimer Hauptkirche. Dem Römerplatz vor der ehemaligen Krehl-Klinik fehlt es an verkehrsfreiem Raum, den eine Mitte haben müsste. Ob der vom Gemeinderat angedachte Park auf dem Gelände des heutigen Betriebshofs diese Aufgabe erfüllen könnte, ist genau abzuwägen. Bergheim ist langgestreckt, und eine Mitte sollte möglichst mittig liegen. Außerdem ist für die Zukunft des Betriebshofs zunächst der Ausgang des Bürgerentscheids abzuwarten. Am ehesten geeignet wäre der Park bei der Stadtbücherei; dort fehlt es allerdings heute an ausreichenden Angeboten des Einzelhandels und der Gastronomie.
V. Perspektiven
Bergheim ist der Stadtteil, der sich in den vergangenen 30 Jahren am stärksten verändert hat. Dieser Prozess geht in hohem Tempo weiter. Lassen sie mich zum Abschluss vier Bereiche dieser Veränderung nennen, auf die Sie als Bergheimerinnen und Bergheimer nicht nur besonders achten, sondern in deren Gestaltung Sie sich aktiv einmischen müssen.
A Der Umzug des Klinikums ist nahezu abgeschlossen. Anfänglich war die Universität entschlossen, einen Gutteil ihrer Immobilien zu veräußern. Stadtverwaltung und Gemeinderat standen diesen Privatisierungen skeptisch gegenüber. Es ist ja nicht so, wie oft polemisch behauptet wird, dass die Stadt die Universität in ihrem Wachstum behindern wolle; die Frage ist stets, wo und unter welchen Bedingungen. Mittlerweile hat die Universität den Campus Bergheim ausgerufen mit den Wirtschafts- und Asienwissenschaften als neuem Schwerpunkt. Seither bevölkern junge Menschen das Stadtbild, die Kneipenszene hat sich bereits angepasst, und die Gentrifizierung schreitet voran. Belastbare Zahlen liegen mir nicht vor; es ist aber davon auszugehen, dass in Bergheim-Ost der Druck auf den Wohnungsmarkt rapide steigt. Dagegen ist die Stadt, die dort keinen nennenswerten Grundbesitz hat, ziemlich machtlos; ein Ausgleich kann deshalb nur in Bergheim-West erfolgen. Jede städtebauliche Aufwertung hat einen hohen sozialen Preis.
B Zur aktuellen Frage des Standorts des Straßenbahnbetriebshofs und der Bebauung des Großen Ochsenkopfs will ich mich heute Abend ganz zurückhalten. Nachdem die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, wird der Gemeinderat den Bürgerentscheid beschließen. Ich will Sie nur bitten, bei Ihrer Entscheidung die Belange des Umwelt- und Naturschutzes gleichrangig mit denen des Öffentlichen Nahverkehrs zu betrachten. Auch der Umstieg auf Bahnen und Busse nützt der Natur und dem Klima. Und dazu braucht es eine Betriebsstätte, die möglichst zentral gelegen ist.
C Vorgestern wurde im Bau- und Umweltausschuss des Gemeinderats die Studie des Stadtplanungsamts „Neckarorte“ vorgestellt. Das Konzept zur Erschließung des südlichen Neckarufers geht auf eine Anregung der Heidelberger Architektenkammer zurück. Gerade für Bergheim werden dort sehr präzise Anregungen für Fuß- und Radwege am Ufer formuliert. Im Detail ist allerdings noch manches offen. Gerade darum ist die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger von besonderer Bedeutung.
D Eher im Stillen verläuft momentan der Planungsprozess für das Gebiet zwischen Kurfürstenanlage und Alter Eppelheimer Straße. Mit dem Wegzug der Druckmaschinen und der Rochade der Stadtwerke in das bisherige Forschungszentrum der Druckmaschinen wird ein Kernareal bisheriger gewerblicher Nutzung für neue Zwecke frei. Was immer dort an Mischung aus Gewerbe und Wohnen realisiert werden könnte, muss sich messen lassen an den Erfordernissen der Durchlässigkeit und der Öffnung Bergheims nach Süden. Zu prüfen wird auch sein, ob nicht genau dort die neue Mitte Bergheims entstehen könnte.
Meine Damen und Herren, sie waren ein aufmerksames Publikum. Wenn sie mögen, dürfen sie zum Abschluss jetzt applaudieren.
- Posted by GAL (ck)
- On 9. April 2019