Radwege, Stadtblattartikel von Michael Pfeiffer am 28.10. 2015

Es vergeht kaum eine Gemeinderatssitzung, bei der nicht auch das Thema Radweg auf der Tagesordnung steht. Und das ist gut so.

Der Ausbau des Radwegenetzes muss noch schneller vorangetrieben werden. Dies belegen auch die Zahlen auf den neuen Anzeigetafeln, bei denen die Radfahrer*innen gezählt werden, z.B. Gaisbergstraße ca. 4-5tsd täglich. Ich stelle mir dann manchmal vor, die wären alle mit dem Auto unterwegs.

Oft sind es Kleinigkeiten, die es dem Radler schwer machen wie z.B. felgenzerstörende Bordsteine oder unbeleuchtete innerstädtische Radwege. Die geplante Radwegtrasse vom Heidelberger Süden über die Bahnstadt-Bergheim und über eine eigene Neckarbrücke bis ins Neuenheimer Feld wird eine deutliche Erleichterung für alle werden.

Und vielleicht reift bei dem ein oder anderen Kollegen aus Kirchheim und Rohrbach noch die Erkenntnis, dass die Sickingenbrücke als Rad/Fußverbindung eine absolut sinnvolle Maßnahme wäre und sie als Autofahrer von lästigen Radfahrern auf der Bürgerbrücke befreien würde.

Demo gegen Rechts am 24. Oktober – Rede von Gerd Guntermann

„… schön zu sehen, wie viele Kurpfälzer sich den braunen Dumpfbacken entgegenstellen und darüber hinaus aktive Flüchtlingsarbeit betreiben. Das reicht aber nicht – wie Adorno sagte: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Es tut auch Not, auf die Zusammenhänge und inneren Widersprüche unseres globalen Systems zu verweisen, die sich gravierend zuspitzen. Deren Komplexität geht über unser Heidelberger Agieren hinaus. Die bisherigen Flüchtlingsströme sind nur ein Anfang. Fast die gesamte Region von der Westsahara bis zum Jemen, Syrien und Irak ist inzwischen ein einziges Bürgerkriegsgebiet, angefeuert von Waffenlieferungen großen Stils. Landgrabbing und ein fürchterlicher Strukturwandel durch die multinationalen Agrar-, Chemie- und Lebensmittelkonzerne verstärken die Flüchtlingsströme. Von unserer Bundesregierung wird diese Politik unterstützt. In den kommenden Jahren werden mehr als 100 Millionen afrikanische Kleinbauern vertrieben!
Flucht, aber nicht Fluchtursachen werden bekämpft. Fluchthelfer und Schlepper sollen bestraft werden. Aber ein Geschäftsmann, der in Landgrabbing investiert, ist ebenso ein Verbrecher. Beide unterliegen der Logik des kapitalistischen Systems, profitieren vom Leiden und Sterben von Menschen und vom Raubbau an unserer Erde.
Wenn absehbare Probleme aus Profit- und ideologischen Gründen nicht an der Wurzel behandelt werden, dann haben die rechten Hetzer gute Chancen, gehört zu werden wie auch die, die diese Hetzer protegieren: ich erinnere nur an das Treffen von 200 führenden europäischen Nazis in St. Petersburg im März dieses Jahres, die Putin geschickt vor seinen schmutzigen Karren spannt und gleichzeitig den Krieg in Syrien befeuert mit der Folge weiterer Flüchtlingsströme.
Mein Appell an unsere Heidelberger Bundestagsabgeordneten und unser politisches Führungspersonal: Arsch hoch, nicht nur Flüchtlingen helfen, sondern auch Fluchtursachen bekämpfen!
Lasst uns Globalisierungskriminellen und Nazi-Terroristen den Boden unter den Füßen wegziehen!“

Gerd Guntermann, GAL

P.S.: Hier sind Fotos von der Demo (Philipp Rothe, RNZ): http://www.rnz.de/nachrichten/heidelberg/bildergalerien-heidelberg_costart,2_mediagalid,68.html#mediagallery

Wie weiter mit den Patton Barracks?

Ein erster städtebaulicher Entwurf für die künftige Nutzung der Patton Barracks liegt vor. Damit hat man Platzhalter für den Planungsprozess. Auf unserer Veranstaltung wurden einige Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt. Zu den wichtigsten gehörten „gelungene Nachbarschaften“, auch mit dem Mörgelgewann und dem Kirchheimer Weg, herzustellen, das Areal in Richtung Kirchheim zu öffnen, durch kommunikationsförderliche Einrichtungen auch über die üblichen Bürozeiten hinaus Leben in das Quartier zu bringen, den Standort und die Kubatur der Multifunktionshalle zu überdenken, bestehende Gebäude zu erhalten und ergänzend so zu bauen, dass Integration möglich ist.

– Eine Diskussionsveranstaltung der Fraktionsgemeinschaft GAL/gen.hd./Heidelberg p&e
Im Choreographischen Centrum Hebelhalle, 07.10.2015
Auf dem Podium: Judith Marggraf, Jörn Fuchs (Stadtteilverein Kirchheim), Till Schweizer (Architektenkammer) –

Laut Gemeinderatsbeschluss wird in den Patton Barracks vorrangig Wirtschaft angesiedelt. Die 18 jungen Architekten konnten sich im Juli an drei Tagen während eines Planungsateliers informieren und einen ersten Entwurf erstellen. Die Jurysitzung fand Ende August statt und wählte den Entwurf des Büros Hosoya Schaefer Architects (Zürich) als Grundlage für die weitere Diskussion und Bearbeitung. Auch auf unserer Veranstaltung wurde die Arbeit diskutiert und daraufhin abgeklopft, ob und inwieweit er sich mit Stadtentwicklungszielen deckt.
Einig war man sich darin, dass die Arbeit, wie Till Schweizer bemerkte, einen hohen Grad an Flexibilität und Skalierbarkeit gewährt und somit die beste aus den drei vorgestellten ist. Als Herzstücke sind ein Ableger des Technologieparks, das Business Development Center Organische Elektronik (BCD) im Nordwesten, eine Großsporthalle im Süden, ein Parkhaus im Südwesten und Wohngebäude im Südosten vorgesehen.
Was die Organische Elektronik betrifft, steht man, so Judith Marggraf, unter Zeitdruck, weil der Antrag auf Fördergelder bis Januar gestellt sein muss, doch dafür muss es zuerst einen Bebauungsplan geben.

Verbesserungsmöglichkeiten gegenüber dem Entwurf sehen alle drei Referenten. Jörn Fuchs zufolge kann der ÖPNV mutiger gelöst werden, und stellt in Frage, ob die Großsporthalle und das Parkhaus an der richtigen Stelle angesiedelt sind. Das Parkhaus ist an der Speyerer Straße geplant und würde am Eingangstor zu Heidelberg stehen, was wahrscheinlich schon aufgrund der Kubatur keinen guten ästhetischen Eindruck abgeben würde. Die Multifunktions-/Großsporthalle stünde mit der Rückseite direkt vor der Wohnbebauung im Mörgelgewann und wäre damit eine Beeinträchtigung der ohnehin niedrigen Wohnqualität. Außerdem wäre sie mit dem ÖPNV schwer erreichbar, denn die nächste Straßenbahnhaltestelle liegt gut einen halben Kilometer entfernt. Hans-Martin Mumm warnt in diesem Zusammenhang davor, die Straßenbahnhaltestelle von der Hebelhalle weg zu verlegen, zumal bei Veranstaltungen in einer Großsporthalle die Kapazität einer Straßenbahn nicht ausreichen würde. Vielmehr sollte ein anderer Standort für die Großsporthalle in der Nähe einer S-Bahn-Haltestelle gesucht werden.
Überhaupt findet Schweizer, die grüne Mitte des Areals dürfte größer sein, die angedachten Cafés in der Mitte könnten auch ins Casino. Und nicht nur er meint, dass der Wohnanteil deutlich größer sein dürfte, damit das Areal nicht abends nach Büroschluss wie tot daliegt: Eine Öffnung nach Süden, nämlich nach Kirchheim hin, ist unabdingbar. Leben, Wohnen und Arbeiten sollten unbedingt räumlich nahe beieinander liegen. Judith Marggraf schlägt vor, die Wohnbebauung Mörgelgewann und Kirchheimer Weg um die Ecke zu ziehen. Wichtig wäre auch, die Zäune um die Patton Barracks abzubauen, um das Areal zu öffnen. In dem riesigen ehemaligen Offizierscasino könnten beispielsweise ein Toto-Lotto-Laden, ein Bäcker, ein Imbiss angesiedelt werden, um mehr Leben in das Quartier zu bringen. Eine Aufwertung darf keinesfalls zu Lasten der jetzt dort Wohnenden gehen, und es sollten nicht nur Campus-affine Wohnungen entstehen, wirft Hans-Martin Mumm ein. Der Bestand muss eventuell über eine Milieuschutzsatzung geschützt, es muss ergänzend gebaut werden, damit die Bevölkerung von Mörgelgewann und Kirchheimer Weg integriert werden kann. Dem pflichtet auch Reiner Ueltzhöffer vom Gewerbeverein Kirchheim bei. Ihm fehlt die Vielfältigkeit: Er wünscht sich mehr Wohnraum, und zwar abschwächend von Süd nach Nord in das Quartier hinein sowie mehr Grünflächen für die Lebens- und Aufenthaltsqualität. „Gelungene Nachbarschaft“ war eben kein Stichpunkt in der Aufgabenstellung, wie Judith Marggraf süffisant feststellt.

Einen Konflikt mit dem Wohnen könnten allerdings die S-3-Labors, also Labors, in denen Gentechnik mit höchster Sicherheitsstufe betrieben wird, bedeuten – zumal hier nicht nur entwickelt, sondern langfristig auch produziert werden soll.
Zu mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität möchte auch das Collegium Academicum (CA) beitragen, das sich zum Ziel gesetzt hat, selbstverwaltetes, studentisches Wohnen für 200 Studierende mit einer Bildungsinstitution und einem kulturellen Zentrum zu verknüpfen (http://collegiumacademicum.de/). Es ist IBA-Projekt #012, und zusammen mit dem IFEU-Institut wurde ein Konzept für die Ansiedlung in den Patton Barracks erstellt. Wichtig ist den Initiatoren, vor allem aus Kostengründen, in den Bestandsgebäuden ihr Konzept zu entwickeln. Auch das Projekt „Ausbildungshaus“ war schon weit gediehen, soll jedoch jetzt in Mark Twain Village untergebracht werden.
Überhaupt die IBA: Sie wird nach Ansicht Schweizers stadtplanerisch nicht berücksichtigt, und die Fäden liefen nicht richtig zueinander. Der Aufwand an Bürgerbeteiligung sei enorm, man habe das Gefühl, einer wisse schon, wie es geht, verrate es aber noch nicht.
Ob wir bei all den Überlegungen den Zeithorizont doch weiter fassen müssen? Wer weiß. Vorläufig jedenfalls sind die Patton Barracks ein Zuhause für Flüchtlinge.

Soll das Karlstorkino in der Altstadt bleiben? – Ein Kommentar von Regina Erbel-Zappe

Wenn es nach dem Betreiber Medienforum Heidelberg e.V. geht, bleibt das Karlstorkino an seinem jetzigen Standort, also im Karlstorbahnhof. Wenn die Unterschriften von fast 5.000 Heidelberger Bürgerinnen und Bürgern etwas zählen, bleibt das Karlstorkino, wo es ist. Wenn das geschlossene Votum des Bezirksbeirats Altstadt Gewicht hat, bleibt es. Gerd Guntermann, Bezirksbeirat der GAL, hat einen Antrag auf Bürgerbeteiligung gestellt. Noch selten war eine Bezirksbeiratssitzung so gut besucht wie die am 15. Oktober, als es um das Karlstorkino ging. Den Altstädtern, und nicht nur ihnen, ist also diese kommunale Einrichtung einiges an Anstrengung wert.

Sollte nach dem Kammer-Kino und dem Lux-Harmonie ein weiteres Kino aus der Altstadt verschwinden, wäre das ein herber Verlust. Über 20.000 Besucherinnen und Besucher zieht das Karlstorkino jährlich an, auch aus dem Umland. Durch seinen Standort ist es optimal, auch im Sinne von ökologisch optimal, erreichbar. Mit seinem Programm jenseits des Mainstream stellt es eine Bereicherung des Kulturangebots in der Altstadt dar. Tja, das Kultur-und Freizeitangebot in der Altstadt … Bis jetzt ist für fast jede und jeden etwas dabei: Museen, Theater, Oper und Konzerte, (noch) zwei Kinos mit besonderen Filmangeboten, und schließlich sind da noch die Discos und die Kneipen, von denen eine ganze Reihe den Altstadtbewohnern das Leben und vor allem das Schlafen schwer macht. Müsste das Karlstorkino umziehen, hätten wir einen Magneten des kulturellen Freizeitangebots weniger, und wir müssten befürchten, dass das auf Feiern und Kommerz gerichtete Angebot der Altstadt einen noch stärkeren Überhang bekäme.

Das Karlstorkino wurde vor zwei Jahren unter anderem mit städtischen Mitteln digitalisiert und damit auf den neuesten Stand gebracht. Warum soll man das in den Wind schreiben? Sicher, bei allen Wünschen, die Bürger und Kinobetreiber an die Stadt haben, darf man die Finanzierbarkeit nicht aus den Augen verlieren, was auch unsere GAL-Stadträte immer wieder betonen. Das Medienforum ist optimistisch, Mehreinnahmen generieren und Spendenmittel einwerben zu können. Sollte das realistisch sein, geben wir doch dem Karlstorkino, das seinen Namen an diesem Standort zu Recht trägt, eine Chance. Und vielleicht zeigt sich im Zuge dessen sogar ein Hoffnungsstreif am Horizont und unter diesem Dach, dass die Altstadt endlich ein Bürgerhaus bekommt.

Meine Woche mit Hartz IV – Von Judith Marggraf

Das eigene Konsumverhalten über einen begrenzten Zeitraum zu überprüfen und zu hinterfragen war die Motivation von Judith Marggraf, sich an der „Woche mit Hartz IV“ zu beteiligen. Ein Erfahrungsbericht.

Ich habe an dieser Aktion teilgenommen, weil das für mich eine kurze und unkomplizierte Möglichkeit war, das eigene Konsumverhalten zu überprüfen und das in Beziehung zu setzen mit den Möglichkeiten von Menschen, denen es nicht so gut geht wie mir. Sowas ist eine sehr nachdrückliche und lehrreiche Erfahrung!

Ich bin so vorgegangen: In der letzten Ferienwoche habe ich ganz genau alles aufgeschrieben, was ich an Lebensmitteln eingekauft habe und das dann durch 7 geteilt. Das ergab einen Betrag von 4.40 €. Natürlich hatte ich Vorräte zuhause, habe aber in der Woche auch Dinge eingekauft, die länger als eine Woche halten (Butter, Reis, Eier, Kaffee …)

Ich glaube, dass ich persönlich und alleine das mit 4,67 € schaffen könnte. Ich esse nicht viel Fleisch, habe einen kleinen Hausgarten der mich mit etwas Salat, Gemüse und Obst versorgt. Außerdem gehöre ich zu einer Generation, die eher wenig Fertigprodukte benutzt, auch mal einfach Leitungswasser trinkt und selbstverständlich Reste verwertet.

Anders sieht das aus, wenn mein 14-jähriger Sohn zuhause ist: Da wird schon mal mehr Fleisch gegessen, es braucht die TK-Pizza, das Geld für den Döner in der Mittagspause und ähnliches … Da wird es dann auch mit dem doppelten Betrag knapp und ist eher nicht zu schaffen.
Anders sieht es auch aus, wenn ich arbeite: Mal schnell die Butterbrezel auf dem Weg, ein süßes Stückchen nach der Arbeit, oder abends, nach einer Sitzung ein kleiner Imbiss, weil ich zuhause nicht mehr mit Kochen anfangen will … Das ist Entlastung und auch ein Stück Lebensqualität, aber mit 4,67 € nicht zu schaffen!

Mein persönliches Fazit: Ich glaube „satt werden“ kann man mit 4.67 € am Tag. Das erfordert aber Planung und ziemlich bewusstes Einkaufsverhalten. Was dann fehlt ist nicht der „Luxus“, sondern all die vielen Kleinigkeiten, über die man sich keinen Kopf macht, wenn ausreichend Geld da ist. Und das ist ganz schön einschränkend!

Alleine für diese Erfahrung hat sich für mich die „Woche mit Hartz IV“ gelohnt: Es geht nicht um die Frage, ob der Betrag um 0,60 € angehoben werden sollte oder ob ich irgendwo die Butter um 2 Cent günstiger kaufen kann. Viel wichtiger war für mich zu merken, wie viel Selbstbestimmung und Leichtigkeit mir abhanden käme, wenn ich Tag für Tag aufpassen müsste, mein Budget nicht zu überschreiten.

Judith Marggraf
GAL Stadträtin

Flüchtlinge in Heidelberg – Ein Kommentar von Martina Weihrauch

Als wir das Thema für diese Mitgliederversammlung aussuchten und vorbereiteten, hatten wir im Hinterkopf, einen „Betroffenheitsabend“ vermeiden zu wollen.
Sicherlich führt die räumliche Nähe von Patrick-Henry-Village zu Heidelberg dazu, dass sich die Heidelberger Bevölkerung verantwortlich fühlt. Nach den Informationen dieses Abends ist klar geworden ist, dass für diese Flüchtlinge nicht die Stadt, sondern das Land zuständig ist. Die vielfach gestellte Frage, was wir Bürger*innen tun können, lässt sich zur Zeit in Bezug auf die Menschen in PHV nicht befriedigend beantworten.

Ich kenne das Gelände von PHV, als die Amerikaner noch da waren. Da glich es einer gepflegten Vorortsiedlung mit grünen Flächen. Als ich im Sommer dieses Gelände wieder betreten habe, ähnelte es einer Wüste. Die Beengtheit des Lebens und auch die schwierige Lage der Menschen dort ist spürbar. Man darf PHV nicht einfach so als Privatperson betreten und auch diejenigen, die zum Spielen mit den Kindern kommen, werden mit einer Eskorte begleitet. Unsichtbare Grenzen sichtbar gemacht.
Aber es geht nicht um Schuldzuweisungen, sondern um die Frage, was man tun kann. Ich glaube, dass es wichtig ist, Transparenz im Zuständigkeitsdschungel gegenüber der Heidelberger Bevölkerung zu schaffen. Wer zum Beispiel hat verstanden, dass der Kompromiss für Heidelberg ist, dafür dass PHV Zentrale Aufnahmestelle ist, keine weiteren Ayslbewerber*innen nach Heidelberg kommen?
Die vielfach gestellte Frage, was wir Bürger*innen tun können, lässt sich zur Zeit in Bezug auf die Menschen in PHV nicht befriedigend beantworten.
Mir persönlich ist es wichtig zu sehen, dass die Heidelberger Bevölkerung offen ist und dies auch bleibt, und dass es viele Menschen gibt, die gerne helfen würden.

Flüchtlinge in Heidelberg – Ein Informationsabend jenseits von Betroffenheitsrhetorik

Engagierte Menschen, überforderte Ämter und geschlossene Tore – mit diesen Stichworten könnte man die aktuelle Lage umreißen. Jörg Schmidt-Rohr vom Verein zur beruflichen Integration und Qualifizierung e.V. (VBI) sowie Hans-Jürgen Florenz und Christian Niesen vom DRK berichteten über die Situation der Flüchtlinge und derer, die ihnen helfen wollen und sollen.
– Ein Bericht von der öffentlichen Mitgliederversammlung der GAL am 29.09.2015 –

Patrick-Henry-Village (PHV) ist seit kurzem zentrale Aufnahmestelle für Baden-Württemberg. Damit, so Jörg Schmidt-Rohr, ist dies eine neue Struktur, die im Gesetz nicht vorgesehen ist. Seiner Einschätzung nach wird die Verweildauer in PHV ähnlich lang sein wie in den Landeserstaufnahmestellen (LEAs), nämlich drei Monate. Die Flüchtlinge in PHV haben einen anderen Status als die Flüchtlinge, die der Stadt Heidelberg zugewiesen wurden und in der Hardtstraße, den Patton-Barracks, der Henkel-Teroson-Straße und dem Hotel Metropol wohnen. Deren Asylantrag ist bereits in Bearbeitung, was jedoch bis zu vier Jahre in Anspruch nehmen kann. Das damit befasste Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kommt nicht mehr hinterher, die Beamten sind aufgrund der hohen Zahl von Anträgen überfordert, und es gibt einen hohen Krankenstand in der Behörde. Momentan werden dort Anträge aus dem Jahr 2012 bearbeitet. Eine zusätzliche Schwierigkeit im Asylverfahren ist, dass es Bundessache ist, doch Unterbringung, Ausstattung und Abschiebung Landessache. „Man hat zwei Böcke zu einem Gärtner gemacht“, so Schmidt-Rohr.

Die Hilfsbereitschaft der Heidelberger Bevölkerung ist enorm. Ehrenamtliches Engagement für die „Heidelberger Flüchtlinge“ ist gut organisiert von Diakonie, Caritas und dem Asyl-Arbeitskreis. Doch in PHV stehen Ehrenamtliche aufgrund von Sicherheitsbedenken der privaten Betreiberfirma, European Homecare (EHC), oftmals vor verschlossenen Toren. Hans-Jürgen Florenz vom DRK hält es für einen Fehler, eine öffentliche Aufgabe an private Firmen abzugeben. Sein Kollege beim DRK, nennt Beispiele dafür, dass EHC die Situation, in der es vor allem darum geht, mit der großen Zahl an Flüchtlingen zurechtzukommen, nicht allein managen kann. So ist Anfang des Jahres das DRK eingesprungen und hat Kleiderspenden, Pfarrer Axel Klaus von der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Heidelberg, Spielzeugspenden für PHV organisiert. Was es für ehrenamtliches Engagement dort so schwierig macht, ist, dass die Stadt kein Mitspracherecht hat und eine Koordinierungsstelle für Freiwillige in PHV fehlt. Dringend nötig wäre Sprachunterricht. Die Spielenachmittage für Kinder sind das einzige Angebot neben Frühstück und Mittagessen, die Abwechslung in den Tag bringen (das Abendessen ist dem Mittagessenspaket beigepackt). Für tagesstrukturierende Angebote wären Räume notwendig. Doch bevor weitere Gebäude zur Nutzung freigegeben werden können, müssen sowohl das Regierungspräsidium, als auch das Innenministerium und die BIMA ihre Zustimmung geben. Es gibt in PHV keinen Speisesaal, keine Sozialräume. Die Menschen essen auf ihren Betten sitzend. Ein geschützter Raum für Frauen täte Not, Mitwirkungsmöglichkeiten, eine Einkaufsmöglichkeit, ein Kino. Das DRK dringt mit diesen Vorschlägen und Angeboten bei EHC bisher nicht durch, und das Regierungspräsidium als nächsthöhere Instanz zeigt sich überfordert. Soziale Spannungen resultieren nicht nur aus dem Mangel an Beschäftigung, sondern auch daraus, dass beispielsweise Schiiten und Sunniten hier wieder zusammenkommen.
Jörg Schmidt-Rohr zufolge müssten Konzepte unter den Bedingungen einer Erstaufnahmestelle entwickelt werden. In der seit 20 Jahren bestehenden Karlsruher LEA ist das Land zuständig, und es gibt in unmittelbarer Nähe bewährte Strukturen wie Sprachkurse auf unterschiedlichen Niveaus, eine Rechtsberatung und einen Freundeskreis Asyl. In PHV dagegen ist ein privates Unternehmen zuständig, das außerdem die Tore schließen kann.

Viele Straßen in Heidelberg …, Stadtblattartikel von Hans Martin Mumm am 21.10. 2015

… hätten Umbenennungsbedarf. Sie heißen nach Nazis (Dischinger, Endemann), nach Kriegsgrößen (Moltke, Roon, von Werder), nach Waffenentwicklern (Bothe, Hahn, Wankel) oder nach Antisemiten (von Arnim, Jahn, Patton).

Die Grünen haben in ihrer Ahnungslosigkeit nun den einzigen Juden auf dieser Liste herausgepickt: Umbenennung der Haberstraße in Rohrbach-Süd. Das Thema ist aber zu komplex für Skandalgeschrei, die deutsche Geschichte lässt sich nicht per Federstrich purifizieren.

Im Jüdischen Museum in München etwa gibt es zu Fritz Haber eine ganze Vitrine, in der die Konfliktsituation der patriotischen Juden im 1. Weltkrieg aufgearbeitet wird. Auch im Carl-Bosch-Museum Heidelberg ist dieses Thema verschiedentlich angesprochen worden.

Bevor also ein Umbenennungsantrag auf den anderen folgt, sollte der Gemeinderat eine eigene Expertenkommission damit beauftragen, die Straßennamen auf ihre Würdigkeit auszuwerten und Vorschläge für ein einheitliches Vorgehen zu machen.

Ein Feature des Deutschlandfunks „Eine Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Heidelberg“

Wir verweisen hier auf ein aktuell am 16.10.2015 gesendetes Feature des Deutschlandfunkes zum Thema Flüchtlinge im Patrick Henry Village.

Das Feature hier:

http://www.deutschlandfunk.de/patrick-henry-village-eine-erstaufnahmestelle-fuer.1170.de.html?dram:article_id=331173

als Datei im PDF-Format zum drucken.

http://www.deutschlandfunk.de/patrick-henry-village-eine-erstaufnahmestelle-fur.media.6182596509b3df73e525b9a773708b06.pdf

als Text

http://www.deutschlandfunk.de/patrick-henry-village-eine-erstaufnahmestelle-fur.media.88576d54cf8fbd4de465c2da770c9d54.txt

Wenn Ihr Eure Meinungen dazu mitteilen wollt, tut das bitte gerne im Kommentar.

Rechte zur Unterbringung, Versorgung und Betreuung von Flüchtlingen wurden vom Gemeinderat auf den OB übertragen – Eine Abstimmungserklärung von Hans-Martin Mumm

Der Gemeinderat hat am 8. Oktober beschlossen, einige seiner Rechte bis Ende 2016 auf den Oberbürgermeister zu übertragen. Wörtlich lautet der Beschluss:

1. Der Gemeinderat überträgt ausschließlich für den Themenbereich „Unterbringung, Versorgung und Betreuung von Flüchtlingen“ nach § 44 der Gemeindeordnung (GemO) die finanziellen Zuständigkeiten des Bau- und Umweltausschusses nach § 6 Ziffer 1, des Haupt- und Finanzausschusses nach § 5 Ziffer 1, Absatz 9 sowie des Gemeinderats nach § 3, Absatz 2, Ziffer B der Hauptsatzung auf den Oberbürgermeister.
2. Diese Übertragung ist befristet bis zum Ablauf des aktuellen Haushaltsplans 2015/2016 am 31. Dezember 2016.
3. Die gemeinderätlichen Gremien werden in den, den Entscheidungen folgenden Sitzungen entsprechend informiert.
Es werden folgende Zusagen festgehalten:
In jeder Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses wird eine aktuelle Liste mit den vom Oberbürgermeister getroffenen Entscheidungen vorgelegt.
Eine finanzielle Gesamtbewertung (unter anderem durch Aufzeigen von Auswirkungen und Konsequenzen auf andere Maßnahmen) wird im Haupt- und Finanzausschuss und dem Gemeinderat erfolgen.

In einer Presseinformation der Stadt heißt es dazu:
Die aktuelle Entwicklung der Flüchtlingszahlen erfordert rasche und flexible Reaktionen der Kommunen. Deshalb hat der Gemeinderat am 8. Oktober 2015 mehrheitlich beschlossen, die Befugnisse des Oberbürgermeisters in finanziellen Angelegenheiten auszuweiten: Für die Unterbringung, Versorgung und Betreuung von Flüchtlingen kann er künftig kurzfristig Finanzmittel freigeben, ohne den sonst üblichen Lauf durch die zuständigen gemeinderätlichen Gremien. Diese Übertragung ist befristet bis zum Ablauf des aktuellen Haushaltsplans 2015/2016 am 31. Dezember 2016. Die gemeinderätlichen Gremien werden in den folgenden Sitzungen entsprechend informiert. In jeder Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses wird eine aktuelle Liste mit den vom Oberbürgermeister getroffenen Entscheidungen vorgelegt und die finanziellen Auswirkungen aufgezeigt. Ziel ist es, zeitliche Verzögerungen und damit mögliche Nachteile für die Kommune oder die Flüchtlinge selbst zu vermeiden.

Erklärung von Hans-Martin Mumm zum Abstimmungsverhalten
Dieser Beschluss, mit dem der Gemeinderat bis Ende 2016 auf seine Beschlussrechte zum Themenbereich „Flüchtlinge“ verzichtet, wurde am 8. Oktober mit großer Mehrheit gefasst. Es gab drei Gegenstimmen und eine Enthaltung. Dagegen waren die beiden AfD-Stadträte, die Enthaltung kam vom Fraktionskollegen Michael Pfeiffer. Judith Marggraf konnte an der Sitzung nicht teilnehmen. Ich habe ebenfalls mit nein gestimmt und danach die folgende Erklärung zum Abstimmungsverhalten vorgetragen:

1. Ich teile die Einschätzung, dass der aktuelle Zustrom von Flüchtenden aus aller Welt eine große Herausforderung darstellt. Zuwenden, Helfen, Teilen und Zusammenrücken sind die menschlichen Gebote der Reaktion darauf. Das bedeutet in vielen Fällen auch, schnelle und vielleicht unpopuläre Entscheidungen zu treffen.
2. Die Strukturen der kommunalen Selbstverwaltung vertragen es aber nicht, wenn sie asymmetrisch verschoben werden. Ich bin bereit, schnelle und vielleicht unpopuläre Entscheidungen mitzutragen bzw. auch Eilentscheide des Oberbürgermeisters zur Kenntnis zu nehmen. Ein genereller Verzicht auf die Beteiligung des Gemeinderats jedoch muss die kommunale Demokratie unterhöhlen.
3. Zuletzt gilt auch, dass meine Zweifel an der Rechtsförmigkeit des soeben getroffenen Beschlusses nicht ausgeräumt sind.
Darum habe ich gegen die Vorlage der Verwaltung gestimmt.

Hans-Martin Mumm, GAL-Stadtrat