Flüchtlinge in Heidelberg – Ein Informationsabend jenseits von Betroffenheitsrhetorik

Engagierte Menschen, überforderte Ämter und geschlossene Tore – mit diesen Stichworten könnte man die aktuelle Lage umreißen. Jörg Schmidt-Rohr vom Verein zur beruflichen Integration und Qualifizierung e.V. (VBI) sowie Hans-Jürgen Florenz und Christian Niesen vom DRK berichteten über die Situation der Flüchtlinge und derer, die ihnen helfen wollen und sollen.
– Ein Bericht von der öffentlichen Mitgliederversammlung der GAL am 29.09.2015 –

Patrick-Henry-Village (PHV) ist seit kurzem zentrale Aufnahmestelle für Baden-Württemberg. Damit, so Jörg Schmidt-Rohr, ist dies eine neue Struktur, die im Gesetz nicht vorgesehen ist. Seiner Einschätzung nach wird die Verweildauer in PHV ähnlich lang sein wie in den Landeserstaufnahmestellen (LEAs), nämlich drei Monate. Die Flüchtlinge in PHV haben einen anderen Status als die Flüchtlinge, die der Stadt Heidelberg zugewiesen wurden und in der Hardtstraße, den Patton-Barracks, der Henkel-Teroson-Straße und dem Hotel Metropol wohnen. Deren Asylantrag ist bereits in Bearbeitung, was jedoch bis zu vier Jahre in Anspruch nehmen kann. Das damit befasste Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kommt nicht mehr hinterher, die Beamten sind aufgrund der hohen Zahl von Anträgen überfordert, und es gibt einen hohen Krankenstand in der Behörde. Momentan werden dort Anträge aus dem Jahr 2012 bearbeitet. Eine zusätzliche Schwierigkeit im Asylverfahren ist, dass es Bundessache ist, doch Unterbringung, Ausstattung und Abschiebung Landessache. „Man hat zwei Böcke zu einem Gärtner gemacht“, so Schmidt-Rohr.

Die Hilfsbereitschaft der Heidelberger Bevölkerung ist enorm. Ehrenamtliches Engagement für die „Heidelberger Flüchtlinge“ ist gut organisiert von Diakonie, Caritas und dem Asyl-Arbeitskreis. Doch in PHV stehen Ehrenamtliche aufgrund von Sicherheitsbedenken der privaten Betreiberfirma, European Homecare (EHC), oftmals vor verschlossenen Toren. Hans-Jürgen Florenz vom DRK hält es für einen Fehler, eine öffentliche Aufgabe an private Firmen abzugeben. Sein Kollege beim DRK, nennt Beispiele dafür, dass EHC die Situation, in der es vor allem darum geht, mit der großen Zahl an Flüchtlingen zurechtzukommen, nicht allein managen kann. So ist Anfang des Jahres das DRK eingesprungen und hat Kleiderspenden, Pfarrer Axel Klaus von der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Heidelberg, Spielzeugspenden für PHV organisiert. Was es für ehrenamtliches Engagement dort so schwierig macht, ist, dass die Stadt kein Mitspracherecht hat und eine Koordinierungsstelle für Freiwillige in PHV fehlt. Dringend nötig wäre Sprachunterricht. Die Spielenachmittage für Kinder sind das einzige Angebot neben Frühstück und Mittagessen, die Abwechslung in den Tag bringen (das Abendessen ist dem Mittagessenspaket beigepackt). Für tagesstrukturierende Angebote wären Räume notwendig. Doch bevor weitere Gebäude zur Nutzung freigegeben werden können, müssen sowohl das Regierungspräsidium, als auch das Innenministerium und die BIMA ihre Zustimmung geben. Es gibt in PHV keinen Speisesaal, keine Sozialräume. Die Menschen essen auf ihren Betten sitzend. Ein geschützter Raum für Frauen täte Not, Mitwirkungsmöglichkeiten, eine Einkaufsmöglichkeit, ein Kino. Das DRK dringt mit diesen Vorschlägen und Angeboten bei EHC bisher nicht durch, und das Regierungspräsidium als nächsthöhere Instanz zeigt sich überfordert. Soziale Spannungen resultieren nicht nur aus dem Mangel an Beschäftigung, sondern auch daraus, dass beispielsweise Schiiten und Sunniten hier wieder zusammenkommen.
Jörg Schmidt-Rohr zufolge müssten Konzepte unter den Bedingungen einer Erstaufnahmestelle entwickelt werden. In der seit 20 Jahren bestehenden Karlsruher LEA ist das Land zuständig, und es gibt in unmittelbarer Nähe bewährte Strukturen wie Sprachkurse auf unterschiedlichen Niveaus, eine Rechtsberatung und einen Freundeskreis Asyl. In PHV dagegen ist ein privates Unternehmen zuständig, das außerdem die Tore schließen kann.