Dynamischer Flächenplan zu Lasten der Landwirte, der Natur und der Nachhaltigkeit

Dipl.-Ing. agr. H.-W. Becker Heidelberg-Kirchheim

16.06.2020

Dynamischer Flächenplan zu Lasten der Landwirte, der Natur und der Nachhaltigkeit

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Gemeinderat steht eine Entscheidung bezüglich der Flächen-Erweiterung des PHV an, insbesondere die großzügige Ausdehnung Richtung Westen, d.h. auf die von Kirchheimer Landwirten genutzten Flächen. Als mein gewählter Gemeinderats-Vertreter, bitte ich Sie, über den erneuten landwirtschaftlichen Flächen-Raub nachzudenken.

Mein Bruder ist betroffener Landwirt und ich bin bei einer Genossenschaft als landwirtschaftlicher Berater im Außendienst tätig. Ich höre die Nöte, den Ärger und die Zukunftssorgen der Landwirte und möchte Ihnen dazu einige Punkte nennen. Wenn die Kirchheimer Bauern vielleicht nicht so laut schreien, wie es die Gegner der Ochsenkopfwiese kürzlich taten – geschieht dies aus reinem Zeitmangel. Die Wegnahme der landwirtschaftlich genutzten Flächen wäre für die Landwirte eine Katastrophe. Die Bauern sind bereits jetzt am Limit, personell und finanziell. Wie Sie als gut informierte Stadträte wissen, ist das Ackerland um Patrick-Henry bestes und fruchtbarstes Land. Man kann von Spargel bis hin zu Melonen jegliches Gemüse und Getreide anbauen. Durch die geplante Vergrößerung des PHV im Westen, wird Bauern bis zu einem Viertel ihrer Lebensgrundlage genommen, die Natur weiter zersiedelt und zerstört.

Zu Ihrer Planung:

Bei jedem Bauvorhaben ist die Planung das A und O, im Privaten sowie im Städtischen. Nur so können Fehler und Folgefehler minimiert werden. Es sind schon viele Pläne entwickelt und die Bürger befragt worden, aber werden die Einwände und Verbesserungsvorschläge auch berücksichtig, insbesondere beim Flächenverbrauch? Bei PHV gibt es bisher weder einen Bebauungsplan, noch eine Entscheidung, wie die Anbindung an den Öffentlichen Nahverkehr sein soll. Durchdachte Planung ist das nicht.

Beispiele für eine ungenügend durchdachte Bebauungsplanung kann man leicht in der Bahnstadt finden: Eine Grundschule, die sich der Durchgangsstraße „plötzlich und unerwartet in den Weg geworfen hat, so dass man die Straße sperren muss“; ein Kanal, der jeden Monat tausende Euro an Wasserfilterkosten verschlingt, Sie wissen um den vierstelligen Euro-Betrag; ein Wasserspiel, das nicht spritzen darf, weil das Pflaster zu rutschig wird …

– Bitte planen Sie die entscheidenden Dinge im PHV. In anderen Städten wird zuerst die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr geplant, danach der Stadtteil. Bei der Bürgermitbestimmung wurde immer wieder gebeten: Kein unnötiger Flächenverbrauch, jedoch wollen Sie schon jetzt, dass die Landwirte Nutzfläche abgeben müssen und es ist noch nicht einmal klar, wie viel noch zukünftig durch den ÖPNV dazukommen wird. Bitte: Planen Sie zuerst die Anbindung, haben Sie dann im Blick, wieviel landwirtschaftliche Fläche dadurch genommen wird und danach planen Sie PHV weiter.

– Völlig ignoriert wird auch die Tatsache, dass die Erdgas-Trasse quer durch die geplante WestErweiterungsfläche verläuft und die Bereiche entlang der Trasse nicht bebaut werden dürfen. Wieso ist das kein Thema und war bis vor kurzem vielen Stadträten und auch Planern nicht bekannt?

„Flächenausdehnung muss sein, sonst sei dies kein tragfähiger Stadtteil“:

Wie kann man behaupten, Patrick Henry reiche von der Fläche her nicht. Überall wird verdichtet gebaut, nur Heidelberg hat das nicht nötig. Zukunftsorientierte Planer mit Vision müssen fähig sein, einen Stadtteil in die örtlichen Begebenheiten einzuplanen, sonst sind sie in ihrem Beruf falsch. Entscheidungen, besonders politische, leben davon, dass darüber gesprochen und diskutiert wird und möglicherweise Kompromisse geschlossen werden. Wenn eine Seite von Anfang an nicht von ihrer Vorstellung abweichen will, dann ist dies keine gesunde Grundlage für weitreichende gemeinsame Entscheidungen. Hat jemand mit den Landwirten geredet?

– Es ist widersinnig, einen “grünen Stadtteil“ inmitten landwirtschaftlichem Gebiet zu planen und dazu, die landwirtschaftlichen Flächen zu zerstören. Grün ist die Natur drum herum bereits. Ich habe gehört, innerhalb
PHV soll eine Brachwiese für Insekten angelegt werden. Warum nicht außerhalb PHV mit den Landwirten absprechen, welcher Acker in welchem Jahr Brachwiese für Bienen und andere Insekten sein soll, dann wäre innerhalb PHV z.B. Platz für einen Spielplatz mit Bäumen.

– Ein See? Prestige-Idee zu Lasten der Landwirtschaft! Meiner Meinung nach ist die Planung eines Sees an dieser Stelle weltfremd: Die Sommer werden immer heißer und trockener, ein See generiert laufende Kosten für Reinigung und Wasser-Umwälzung. Schnaken und asiatische Tigermücke müssen permanent im Blick sein und schon jetzt haben die Landwirte Einbußen durch Nilgänse, die auf den Äckern umherlaufen und das Gemüse abfressen. Der See hat ausschließlich optischen Nutzen. Sinnvoller wären kleine Fuß- und Spazierwege mit Sträuchern und Bäumen daneben, gerade für die heißen Sommer. Dann müssten auch nicht alle Hunde bevorzugt in den Feldern spazieren geführt werden. Bisher veranschlagt man für See und die grüne Mitte ein Erschließungsfeld von 16-18 ha, das sind mehr als 20 Fußballplätze, ist Ihnen das klar?!

– Gerade in Corona-Zeiten ist die Bedeutung heimischer Landwirtschaft in den Fokus gerückt. Viele Bürger besannen sich auf den Einkauf in den kleinen Hofläden vor Ort. Muss man nicht alles daran setzen, den Landwirten die Existenz zu sichern statt sie ihnen wegzunehmen? Wenn die heimische Landwirtschaft nicht mehr funktioniert, wird zukünftig das Gemüse aus China kommen, im günstigsten Fall aus Südeuropa. Wollen wir das? Klimaschutz heißt auch, das Gemüse vor Ort zu produzieren und zu vermarkten.

– In Heidelberg wurde der Klimanotstand ausgerufen, Heidelberg will „sich verpflichten sofort und langfristig orientiert zu handeln, damit die Klimaschutzziele erreicht werden“. Ist Klimaschutz ein „grüner Stadtteil zu Lasten der Landwirtschaft?“ In den Äckern leben Feldhasen, vielerlei Singvögel und Insekten. Die kleinparzelligen Äcker sind Lebensraum von vielen Tieren – sie bieten einen größeren Lebensraum als irgendeine Wiese innerhalb städtischer Bebauung bieten kann. Das Areal um die Kurpfalzhöfe- und Hegenichhof ist Wasserschutzgebiet, die Landwirte arbeiten hier schon jahrelang unter größter Rücksichtnahme für die Natur.

Mir drängt sich leider der Gedanke auf, dass die Stadt, der OB, bei der Bebauung der Ochsenkopfwiese eine Schlappe erleiden mussten. Jetzt „muss“ Patrick-Henry-Village mit der großen West-Erweiterung „durchgedrückt“ werden, die naturfremde Planer sich überlegt haben. Das Ganze nennt man auch noch „nachhaltig“, meiner Ansicht nach ökologischer Irrsinn! Von einem mehrheitlich grünen Stadtrat erwarte ich mir Erhalt und Schutz der Natur, auch und besonders für unsere zukünftigen Generationen.

Bei der Bürgerbefragung wurde sich immer wieder gegen zusätzlichen Landverbrauch ausgesprochen. Seit der Mitbestimmung hat sich allerdings nichts an der Areal-Größe verändert. Wofür eine Bürgerbefragung, wenn diese ohne Folgen bleibt?

Die Natur steht nicht endlos zur Verfügung. Patrick Henry gehört seit Generationen zu Kirchheim. Die Kirchheimer Landwirte mussten in den letzten Jahren immer wieder gegen Landnahme kämpfen und immer mehr Flächen abgeben. Neuestes Kirchheimer Baugebiet ist am Messplatz, auch hier wird landwirtschaftliche Nutzfläche bebaut.

Bitte überdenken Sie, wieviel Fläche tatsächlich benötigt wird, um Patrick-Henry-Village als attraktiven Stadtteil auszuweisen. Gewerbeflächen im Bieth konnten jahrelang nicht verkauft und bebaut werden, woher die Gewissheit, dass Patrick Henry unbedingt um 18 ha vergrößert bebaut werden muss?

Um den Wahnsinn abzuschließen, muss zu jedem ha neu bebauter und versiegelter Fläche noch ökologische Ausgleichsfläche ausgewiesen werden, das ist auch wieder „Bauernland“!!

Bitte überdenken Sie Ihre Entscheidung! Hinterfragen Sie Planungen, die behaupten, nachhaltig zu sein. Nachhaltig ist Landwirtschaft und Erhalt der Natur.

Mit freundlichen Grüßen Hans-Werner Becker