Seebrücke Heidelberg
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Mara Kunz, Jörg Schmidt-Rohr
17.06.2020
Kein Neubau des Ankunftszentrums in den Wolfsgärten
Das Kernanliegen der Seebrücke ist, das Menschenrecht auf Flucht zu verteidigen und sichere Fluchtrouten zu fordern, auf denen kein Mensch sterben muss. Der gezielte Boykott der Seenotrettung, der Ausbau der Festung Europa und die Gleichgültigkeit gegenüber der unmenschlichen Situation in den Lagern an den Außengrenzen der EU sind an sich unsere Themen.
Zum Menschenrecht auf Flucht gehört aber auch ein sicheres Ankommen. Dazu gehört im Aufnahmeland auch eine Willkommenskultur, die offen und empathisch mit dem Leid der geflüchteten Menschen umgeht.
Diese wollen wir auch in unserer Stadt.
Unabhängig davon, dass wir das Lagersystem in der derzeitigen Form ablehnen, grenzt ein Ankunftszentrum in den Wolfsgärten die Geflüchteten dauerhaft aus der Mitte unserer Gesellschaft aus.
Die abgeschlossene, unwirtliche und beengte Fläche ist von ihrer Gesamtanlage besonders zu einem abgeschotteten und isolierten Lager geeignet. Und wir haben wenig Vertrauen in den Bauherrn, das Innenministerium, dass an dieser Stelle, welche schon von der Lage her das Gegenteil signalisiert, ein in die Stadt integriertes und offenes Lager entstehen kann. Allein schon der Lärm neben den Autobahnen und der Bahnlinie machen das Lager zu keinem guten Wohnort. Selbst die Ersteller des ersten Vorentwurfes von der Bauabteilung des Landes haben das als besonders problematisch angesehen. Die Bebauung ist eng und massiv, und zudem dem Land eigentlich viel zu eng, da sie auf der Fläche keine 3.500 Personen unterbringen kann. Es wird eben sehr „lagermäßig“.
Ebenfalls glauben wir nicht, da durch die Praxis und die Gesetzeslage in den langfristigen Konzepten schon lange widerlegt, an die Legende vom Kurzaufenthalt. Das Land hat auch in Schreiben des Ministers sehr klar gemacht, dass in diesen Fragen die Stadt nicht mitzureden hat.
Der Ort ist als Wohnort, oft als erster Wohnort für Menschen die auf der Flucht eine lebensgefährliche und traumatisierende Odyssee erlebten, ungeeignet und das Gegenteil einer wohlwollenden Aufnahme.
Von Anderen wurden die Probleme des Naturschutzes und der Versiegelung von Flächen im Außenbereich, sonst sogar für den dringenden Neubau von Wohnungen ein Tabu, richtig und ausführlich dargestellt. In der Region gibt es derzeit noch genug Konversionsflächen, so dass man kein Ackerland anfassen muss. Diese Argumente schließen auch den Gäulschlag aus, den eigentlich nie irgendjemand ernsthaft in Erwägung gezogen hat und der eine reine Scheinalternative war.
Auch von vielen Befürwortern werden die Wolfsgärten nicht als idealer Standort angesehen. Eine sinnvolle Alternative auf Heidelberger Gemarkung wäre eine Integration in den neuen Stadtteil, das heutige PHV. Gerade weil es eine Neuentwicklung ist, in der noch vieles offen ist, ließe sich ein offenes und nicht baulich abgeriegeltes Ankunftszentrum nach unserer Meinung dort durchaus integrieren. Dann eben nicht als hermetisch abgeschlossenes Lager, sondern als Teil eines neuen Dorfes. In dem echte Vielfalt gelebt werden könnte, in dem eben alle Versorgungseinrichtungen vom Supermarkt bis zum Bolzplatz für alle da sind.
Das wäre ein echtes Modell und ein Mehrwert gegenüber dem jetzigen Ankunftszentrum. Auch wir finden das Engagement vieler Heidelberger Menschen und Institutionen im PHV gut und richtig. Wenn es kein Ankunftzentrum in Heidelberg gäbe und die Stadt damit von dem Privileg befreit wäre, keine Flüchtlinge aufnehmen zu müssen, würde dieses Engagement sicher gegenüber der dann viel größeren Zahl von geflüchteten Menschen in der Stadt bestehen. Auch das wäre gut.
Heidelberg hat sich ja auch zum sicheren Hafen erklärt und wäre bereit, geflüchtete, aus Seenot oder griechischen Lagern gerettete Menschen aufzunehmen. Dies scheitert bisher am Unwillen von EU, Bund und Land. Wir wünschen uns, dass dies sich ändert und dass auch in der Stadt direkt geflüchtete Menschen die Vielfalt der Stadt weiter bereichern würden.
Wir glauben, dass auf einem Teil des Geländes des PHV ein Ankunftszentrum möglich wäre, ohne dass die Entwicklung des neuen Stadtteils völlig gestört oder behindert würde. Warum soll es nicht bis zu 2000 Bewohner geben, die sich eben anders in den Stadtteil einbringen, vielleicht auch tatsächlich nur einige Wochen da sind. Zudem trifft das für Viele nicht zu, und Touristen in Hotels und Boardinghäusern sind noch kürzer in der Stadt.
Wenn aber die IBA und die Städteplaner im Rahmen ihrer ganzen modellhaften und schicken stadtplanerischen Ideen eine solche Einrichtung nicht unterbringen können oder das überhaupt nicht gewollt ist, dann sollte man noch einmal prüfen, ob das neue Landesankunftszentrum nicht an einer anderen Stelle errichtet werden kann.
Die Stadt Mannheim z.B. hätte das Ankunftszentrum gerne gehabt und es waren z.B. die Coleman Baracks, nachdem die Amerikaner endgültig abgezogen wären, (vielleicht machts Trump ja möglich) im Gespräch, bis sich das Land anders entschied. Auch im Raum Karlsruhe, in dem jahrzehntelang das Ankunftszentrum war und immer noch viele Verwaltungsstrukturen sind, gäbe es sicher bessere Möglichkeiten als das Gelände der Wolfsgärten.
Entscheidend wird immer sein, wie das Ankunftszentrum gestaltet wird- als abgeschlossenes Lager zur Ausgrenzung und Kontrolle oder als offene Struktur, die man als Teil einer Willkommenskultur erkennen kann.
Wir sagen ein sehr grundsätzliches Nein zu den Wolfsgärten, halten Flächen und Teile des PHV für denkbar, meinen aber nicht, dass das neu zu bauende Ankunftszentrum auf jeden Fall und unbedingt in Heidelberg bleiben muss, wenn es nur einen völlig ungeeigneten Standort gibt.
Nicht um den Preis, dass in den Wolfsgärten ein Lager entsteht, dass für die Unterbringung von Geflüchteten nicht geeignet ist.
