Haben Sie sich heute schon beteiligt?

Keine Lust, keine Zeit? Ach so, Sie konnten sich nicht entscheiden, ob Sie zum Arbeitskreis Bürgerbeteiligung, zum Bürgerforum Konversion oder zum stadtöffentlichen Diskurs zu „Wissen schafft Stadt“ gehen sollten. Nein, auch nicht? Sie wussten nicht, was Sie da sollten? Na, sich einbringen, endlich mal sagen, wie Sie es gerne hätten! Was, Sie wissen gar nicht wie Sie die Entwicklung der amerikanischen Liegenschaften oder eine ‚Wissenschaftsstadt‘ gerne hätten? Das ist Ihnen zu beliebig, da fehlt die Fragestellung….. Ok – ich glaube, jetzt verstehe ich Sie!

Natürlich ist es klasse, wenn 200 HeidelbergerInnen die Gelegenheit wahrnehmen und sich über Aufgabe und Ausmaß des Konversionsvorhabens informieren und natürlich ist es sinnvoll und richtig, die Idee einer Internationalen Bau Ausstellung (IBA) als Perspektive und Leitbild für die Stadtentwicklung frühzeitig vorzustellen und zu diskutieren. Aber ist das Bürgerbeteiligung? Oder eher ein notwendiges und selbstverständliches Informationsangebot? Ist es Bürgerbeteiligung, wenn Sitzungen öffentlich stattfinden? Und kann man aus mangelnder Anwesenheit von BürgerInnen schließen, dass sie sich nicht beteiligen wollen?

Ich sitze als GAL Stadträtin im Entwicklungsbeirat. Als eine von zwei Frauen im AK „Wirtschaft und Wissenschaft“ hatte ich mich bei der letzten Sitzung sehr auf eine Diskussion über Nutzungsideen und konkurrierende Nutzungsanforderungen gefreut. Aber das war gar nicht vorgesehen! Wir sollten Kärtchen mit Ideen beschriften. Nicht diskutieren. Heute bedauere ich, dass ich nicht aufgeschrieben habe, dass ich die Produktion von Maybach, einen großen Bio-Bauernhof und ein F&E Zentrum für alternative Baustoffe auf den amerikanischen Liegenschaften will – wäre sicher gut gekommen……

Wenn die Fragestellung fehlt, es keine Optionen oder Alternativen zu diskutieren gibt – an was soll man sich denn dann eigentlich „beteiligen“? Um beim Thema Konversion zu bleiben: Im Bericht auf rnf zum ‚Bürgerforum Konversion‘ äußert sich der OB sinngemäß, man wolle von den Bürgern hören, was die Stadt tun solle ….. Aber der Stadt gehören diese Liegenschaften gar nicht und noch ist nirgendwo eine Entscheidung getroffen worden ob und wenn ja, welche Flächen denn gekauft werden! An was für einer luftigen Diskussion sollen die Bürger sich eigentlich beteiligen?

Irgendwie erinnert mich das an die workshops zur Neckaruferpromenade. Da waren die BürgerInnen auch eingeladen, ihre Wünsche und Vorstellungen zu äußern: Viel Grün, Spielplätze, vielleicht einen kleinen Strand …… nur: Das war in dem Siegerentwurf zur Promenadengestaltung alles überhaupt nicht vorgesehen! Luftnummer? Placebo?

Ich möchte mich hier mal kurz selbst zitieren:

„Es war einmal ein jugendlicher Recke, der trat an, eine Stadt zu regieren. Er war voller Pläne: Bauen wollte er, Ärmel hochkrempeln, was bewegen. Da seine Mitbewerberin gewarnt hatte, man müsse in Menschen und nicht in Beton investieren, erfand er flugs die Familienoffensive. Die muss seither immer beweisen, dass in Menschen investiert wird und vor lauter Beweislast geht ihr manchmal die Puste aus….Dann ging es los: Ein Tunnel sollte sicherstellen, dass die Stadt am Fluss liegt, dem Land wurde ein Justizbollwerk geschenkt, ein Kongresszentrum sollte der Wissenschaft zu neuer Blüte verhelfen. Der Rat der Stadt war mehrheitlich begeistert: Endlich Action!

Ja, unser jugendlicher Recke bewegte die Stadt! Bürgerinitiativen schossen wie Pilze aus dem Boden…. Anfangs schimpfte er auf die Neinsager und Verhinderer, jetzt erfindet er die Bürgerbeteiligung. Die wird dann zukünftig immer beweisen müssen…und vor lauter Beweislast….“ (Stadtblatt, Januar 2011)

Ich will nicht Recht behalten! Und in der Stadtverwaltung gibt es viele maßgebliche Menschen, die die Idee der Bürgerbeteiligung sehr ernst nehmen und befürworten. Aber wir müssen aufpassen, dass hier kein Begriff seines Inhaltes entledigt und dann zu Tode geritten wird!

Judith Marggraf