Neckarphilharmonie? – Stadtblattartikel und Kommentar
Es macht Sich ein Zug ins Großartige bemerkbar: Kongresszentrum, Sporthalle und nun die Stadthalle. Es gibt viele Nutzungshoffnungen, aber keine kritischen Marktanalysen. Und es liegen keine Berechnungen für die Betriebskosten vor. Ob spätere Generationen uns dafür dankbar sein oder ob sie fluchen werden, wissen wir nicht. Heute wollen wir nur betonen, dass über alles Bundesligahafte die zu Heidelberg passenden Formate nicht verkümmern dürfen.
Für die Stadthalle hat der Gemeinderat alle Kompetenzen abgetreten. Viele Fragen sind offen: Grundstücksgrenzen, Denkmalrecht, Baukosten. Dass wohlhabende Bürger das Projekt unterstützen, nehmen wir mit Dank zur Kenntnis. Aber die Unwägbarkeiten bleiben beim städtischen Etat: Mehrkosten, Betriebskosten und künftige Baulasten. Im Vollzug des Projekts kann der Gemeinderat nicht mehr gegensteuern durch Kostenbremsen oder Variantenauswahl. Alles liegt bei der Theaterstiftung und beim OB. Am Ende kommt dann die Rechnung im Haushalt.
Kommentar zum neuen Stadthallenkonzept von Wassili Lepanto Heidelberg P & E
In der Presse wurde berichtet, dass es in Bezug auf das neue Stadthallenkonzept keine gravierenden Eingriffe in die Bausubstanz des Gebäude gäbe und lediglich der Boden des Großen Saals – der nicht historisch ist – verändert werden würde, indem er abgesenkt wird.
Doch die Schutzwürdigkeit eines Kulturdenkmals betrifft generell den Gesamtbau, das Äußere wie das Innere, d.h. im Großen Saal nicht nur die prächtige innenarchitektonische Gestaltung im Detail, sondern das gesamte historische Raumkonzept seiner Entstehungszeit!
Der Erhaltungsgrund für das Kulturdenkmal „Stadthalle“ besteht gerade darin, dass es ein besonderes Zeugnis des Historismus und der Bürgerkultur seiner Zeit ist. D.h. die Stadthalle wurde als repräsentative Versammlungstätte im Stil der Neorenaissance erbaut. Der Große Saal ist dabei sowohl in seiner Architektur als auch in seiner Funktion als Festsaal der Bürgerschaft ein Spiegel des gesellschaftlichen Lebens des Erbauungszeitraums um 1900.
Eine Besonderheit ist, dass der zum Längsbau querliegende, geschossübergreifende Große Saal mit drei-seitiger Empore die gesamte Tiefe des Mittelbaus einnimmt. In seiner Form mit der Bühne im südlichen Teil des Saales wurde der Raum eigens nach den Wünschen des Musikdirektors Philipp Wolfrum konzipiert.
Bis heute hat der Saal seine Funktion vollumfänglich erfüllt!
Wenn wir aber heute ganz andere Bedingungen an ein Konzerthaus stellen, dann sollte man lieber, wenn so viel Geld zur Verfügung steht, ein entsprechend exklusives Konzerthaus anderswo neu bauen, aber nicht ein vorhandenes Kulturdenkmal umformen und seiner charakteristischen Bau- und Funktionsformen berauben. Doch dies wäre der Fall mit der Verlegung der Bühne in die Mitte des Raumes, wie wir es etwa von einer römischen Theater-Arena kennen. Das geplante zentrierte Neukonzept würde die ursprüngliche historische Raumsituation völlig auf den Kopf stellen!
Aus den genannten Gründen lehnen wir, Heidelberg Pflegen und Erhalten, die aktuellen Planungen zur Zukunftskonzeption des Kongresshauses Stadthalle ab wie auch die Einbringung der Stadthalle samt Grundstück in die Theater- und Orchesterstiftung zum Ende dieses Jahres ab.
Ergänzung:
Auch wenn das Fundament des Bodens selbst nicht historisch ist, so sah das ursprüngliche Raumkonzept dennoch eine Bühne im vorderen Bereich vor und auch durch die Deckenornamentik wird des Blick des Zuschauers Richtung Bühne gelenkt.
- Posted by Hans-Martin Mumm
- On 18. Oktober 2017
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