Kerchemer Stroßefeschd
1991 bin ich nach Kirchheim gezogen und habe mich von Anfang sehr wohl gefühlt. Als erstes großes Ereignis habe ich dann das Kirchheimer Straßenfest kennengelernt, bei dem meine Kinder fleißig ihre ausgelesenen Bücher, Spielsachen und Musikkassetten verkauften. Damals musste man schauen, rechtzeitig in der Schwetzinger Straße (bei der Zentral-Apotheke) einen Platz zu bekommen. In fast allen Geschäften gab es Aktionen, die entweder im Geschäft oder aber an einem Stand auf der Schwetzinger Straße stattfanden. Gesperrt war schon ab der Alstaterstraße. Die Kirchheimer Schulen präsentierten sich mit Basteleien oder Geschicklichkeitsspielen und Eltern und Lehrer*innen sammelten für die Schulkasse, um entweder das ein oder andere Extra anzuschaffen oder sozial benachteiligten Kindern die Teilhabe zu ermöglichen. Auch die Vereine, sei es sportlich oder musikalisch hatten aufgerüstet, um den Kirchheimern etwas zu bieten, einzuladen zum Verweilen bei leckerem Essen und Trinken und hierbei für ihren Verein Werbung zu machen.
Das Kerchemer Stroßefeschd war der gesellschaftliche Höhepunkt im Stadtteil, ein Stelldichein des „who is who“ . Wer in Kerche nur ein bisschen was auf sich gehalten hat, durfte an diesem Tag nicht fehlen. Man konnte als „Neigeplaggter“ die Kerchemer kennenlernen und so mancher Kontakt entwickelte sich zu einer Freundschaft oder einem Vereinsbeitritt.
Ähnlich dem Heidelberger Herbst schob man sich durch die lückenlos von Ständen gesäumte Straße mit der Hauptbühne auf dem Odenwaldplatz.
So, nun genug geträumt vom „ Früher war alles viel besser!“
Heute sieht das etwas anders aus und ich frage mich, woran das liegen mag.
Große Lücken klaffen zwischen den einzelnen Ständen und es bereitete dem mir in der Schwetzinger Straße entgegenkommenden Radfahrer keine Mühe, sich zwischen den einzelnen Besuchern fahrend durchzuschlängeln.
Ich freue mich, dass Familie Vogel ihr Geschäft mit Mützen, Hüten und Kurzwaren präsentiert, Loras Bar sich kulinarisch präsentiert und empfinde es als ein kleines Dankeschön seitens dieser Familien an ihre Kirchheimer Kundschaft. Allerdings vermisse ich die Kirchheimer Metzger, die durch ihr Angebot einen großen Anteil am Gelingen des Straßenfestes hatten. Wo es gutes Essen gibt, da treffen sich die Menschen. Wir haben das große Glück, in Kirchheim gleich 3 hervorragende Metzgereien zu haben und jeder hat seine Spezialitäten, bei denen die Kirchheimer sagen, dass die Salami bei dem einen und die Lyoner bei dem anderen am besten schmeckt. Egal, mit wem ich in den letzten Tagen gesprochen habe, jeder hat vor Allem das Fehlen der Metzger als besonders ärgerlich empfunden. Die Gründe hierfür waren sehr unterschiedlich. Es würde sich nicht mehr lohnen, kein Personal, Angst vor Schlägereien, die Standgebühren seien zu teuer usw.
Ich werde diese Argumente nicht bewerten, ich denke jedoch, dass es eine Serviceleistung und auch ein bissel ein Dankeschön der Metzgereien für ihre Kirchheimer Kundschaft sein sollte, ihnen dieses Stadtteilfest zu verschönen. Mir wurde zugetragen, dass dieses Fest damals für die Geschäftsleute in Kirchheim eingeführt wurde. Bedauerlich ist, wenn mir Bürger sagten, die Geschäftsleute hätten es doch alle nicht mehr nötig. Stimmt das? Sollte es wirklich so sein, dass die Kirchheimer Geschäftsleute, aber auch die Handwerker, die ich ebenfalls vermisste, nicht mehr nötig haben, sich in ihrem Stadtteil zu präsentieren?
Nun noch einige Worte zum Veranstalter, dem geldgierigen Stadtteilverein. Wenn ich erzählt bekomme, dass Jörn Fuchs und sein Team sowohl von Geschäftsleuten als auch von anderen Standbetreibern beschimpft werden, dass die Standgebühren zu hoch seien, treibt es mir die Zornesröte ins Gesicht. Wem kommen denn die Standgebühren, die von den ehrenamtlich arbeitenden Vorstandsmitgliedern (die keinen Cent für ihre Arbeit bekommen) des Stadtteilvereins eingezogen werden zugute?
Wussten Sie schon, dass:
– Die GEMA-Gebühren für ein solches Straßenfest ca. 2000 € kosten? (Dieser Betrag richtet sich nach der beschallten Fläche)
– Die Livemusik auf den verschiedenen Bühnen ca. 2000 bis 3000 € kosten. (Ausgenommen Offlimits, die kostenfrei zur Unterstützung der Pfadfinder St. Georg auftreten!)
– Die Straßensperrung seitens der Stadt Heidelberg mehrere Hundert Euro kosten.
Na, sind Sie immer noch der Meinung, der Stadtteilverein sei geldgierig?
Das kann ein Stadtteilverein nicht mal eben aus der Portokasse stemmen und es erklärt die Standgebühren.
Seien nun noch diejenigen Anwohner erwähnt, die sich schon im Vorfeld wegen dem anstehenden Lärm beschweren. Kommen Sie doch künftig einfach dazu und beteiligen sie sich an einem Gemeinschaftsfest.
An dieser Stelle sei Dank, den vielen ehrenamtlichen Helfern, den Heidelberger Diensten, die die Bühnen kostenfrei zur Verfügung stellen, den Teilnehmern, die aller Kritik zum Trotz viel Spaß an unserer Kerwe hatten und vor allem dem Stadtverein, der in vielen ehrenamtlichen Arbeitsstunden im Vorfeld, sowie an Straßenfest selbst alles so prima auf die Beine gestellt hat.
Nun hoffe ich, dass bald ein Treffen stattfindet, bei dem sich Vereine, Geschäftsleute, Schulen und Stadtteilverein zusammensetzen, um zu überlegen, wie das nächste Straßenfest wieder attraktiver gestaltet werden kann.
Schreiben Sie mir Ihre Meinung dazu, wenn es Ihnen nicht egal ist, dass das Straßenfest immer mehr an Wert verliert. Auch Ihre Ideen werde ich gerne weiterleiten.
Mp-pfeiffer@gmx.net
Michael Pfeiffer
Stadtrat Grün-Alternative Liste GAL
- Posted by Michael Peter Pfeiffer
- On 19. Oktober 2017