Für eine grün – alternative Kommunalpolitik in Heidelberg
In Heidelberg haben bei den Kommunalwahlen 2009 zwei Grüne Listen kandidiert: Eine Liste des Kreisverbandes Bündnis 90/Die Grünen zum ersten Mal und die Grün-Alternative Liste (GAL) wie seit 1984. Es war eine grundsätzliche Entscheidung des Kreisverbandes mit einer eigenen Liste anzutreten und nicht mehr die gemeinsame, offene Liste der Wählervereinigung mit zu nutzen. Die GAL bedauert diese Entscheidung. Viele haben gefragt, warum diese Kandidaturen. Gibt es eine Konkurrenz? Gab oder gibt es Streit? Liegt es an persönlichen Differenzen? Gibt es unterschiedliche politische Ziele? Nach der Wahl muss die Frage heißen: Wie geht es weiter? Die neue Gemeinderatsfraktion der Grünen hat schon eine erste Antwort gegeben: Sie hat mit den Stadträten der „generation.hd“ eine Fraktionsgemeinschaft gebildet. Diese neue Fraktion hat jetzt 8 Sitze und ist damit zweitstärkste Fraktion im Gemeinderat. Dies Vorgehen nach der Wahl interpretiert auch, was vor der Wahl geschehen ist: Der Grüne Kreisverband hat nichts anderes betrieben als die Amputation eines Teils Grüner Politik. Er hat die Trennung von der GAL betrieben, aber er wollte nicht die Trennung, sondern das Ende der GAL. Dass sie sehr wohl weiter besteht, stand nicht auf seiner Rechnung. Jetzt nach der Wahl steht für ihn nicht die Zusammenarbeit mit der GAL zur Debatte, sondern die Zementierung der Trennung. Liest man die politischen Programme zur Wahl, stellt man schnell fest, dass die Wahlprogramme von Grünen und GAL im Vergleich zu allen anderen Gemeinderatsfraktionen die größte Übereinstimmung zeigen. Dennoch ist es falsch, die Differenz nur noch in persönlichen Streitigkeiten zu suchen. Es geht um eine andere Politik! Setzt man einmal voraus, dass GAL und Grüne, wenn sie wie bisher zusammen kandidiert hätten, die selbe Stimmenanzahl erreicht hätten wie jetzt mit den getrennten Listen, dann wäre die GAL-Grüne Fraktion mit 11 Sitzen die stärkste im Gemeinderat, mit all den Möglichkeiten, Bündnisse zu schließen und politische Ziele zu erreichen. Diese Chance ist verspielt worden. Dennoch begründet jetzt die Grüne Fraktion das Zusammengehen mit der „generation.hd“ damit, dass dies zwei Listen seien, deren „Positionen deutlich gestärkt wurden“, und dass die Wähler „hiermit auch eine Verschiebung der Inhalte wünschten“. Die GAL hatte 2004 zusammen mit den Grünen 9 Sitze erreicht. Diesmal hätten es ein oder zwei mehr sein können. Man darf fragen, worin die „Stärkung der Position“ bestehen kann, wenn die Grüne Fraktion jetzt 6 Sitze hat. Die Antwort heißt ganz offensichtlich: in der „Verschiebung der Inhalte“. Es ist nicht nur eine politische Frage, was man in die Parteiprogramme und in die Wahlprogramme schreibt. Es ist auch eine politische Frage, wie man damit umgeht. Es ist eine bekannte und viel diskutierte Schwäche unserer repräsentativen parlamentarischen Demokratie, dass die propagierten politischen Ziele für die Sammlung von Wählerstimmen gut sind, dass man sich damit die Legitimation für die Regierungsbeteiligung holt, dass man aber in den dann zu bildenden Koalitionen politisch durchaus was anderes machen kann. Welche „Inhalte“ möchte die Grüne Gemeinderatsfraktion verschoben wissen, wenn sie sich mit der „generation.hd“ zusammentut, aber nicht mit der GAL? Übrigens sind in der Politik auch Fragen des persönlichen Umgangs, sind Höflichkeit, Respekt, Wahrhaftigkeit ausgesprochen politische Fragen, so wie z.B. Mobbing in einem Unternehmen auch nicht einfach nur Fragen des persönlichen Betragens sind, sondern solche der Unternehmensführung. Dass in Heidelberg seit Jahren, seit den Gründerzeiten der Grünen Partei, eine Grüne Wählerliste, die GAL, zu den Kommunalwahlen kandidiert, und zwar erfolgreich, ist keine lokale Heidelberger Besonderheit. Bekanntestes Beispiel ist vielleicht die Hamburger GAL. Der Landesverband der Grünen in Hamburg nennt sich GAL, weil er aus der GAL entstanden ist, heute nicht viel mehr als ein Hinweis auf die Erntstehungsgeschichte der Grünen Partei. Die derzeitige reibungslose Koalition mit der CDU zeigt auch noch, dass der bloße Name kein ausreichender Hinweis auf eine politische Ausrichtung bedeutet. Grüne, Alternative, Grün-Alternative Wählerlisten sind auch lebendige Gegenwart, wie ein Blick auf die umliegenden Gemeinden schnell beweist. In manchen Gemeinden gäbe es ohne eine GAL überhaupt keine grüne Kandidatur. Dass Wählervereinigungen überhaupt bei den Kommunalwahlen vergleichsweise stark sind, liegt offensichtlich auch daran, dass man ihnen eine größere Nähe zur kommunalen Demokratie zutraut als den sonstigen parlamentarischen Parteien. Es sollte die Grüne Partei auszeichnen, dass sie anders als die anderen Parteien, auch die kommunale Demokratie höher schätzt. Im Jahre 2003, ein Jahr vor den Kommunalwahlen hat die RNZ ein Gespräch mit dem neu gewählten Vorstand des Kreisverbandes von Bündnis 90/Die Grünen geführt. Die Überschrift heißt: „Gemeinsame Sache von Grünen und GAL“ (RNZ 28.04.2003) Theresia Bauer und Gerhard Pitz, die neuen Kreisvorsitzenden, haben zwei Neuigkeiten mitzuteilen: die so genannte „Trennung von Amt und Mandat“ sei aufgehoben. Man kann also jetzt Landtagsabgeordnete und stellvertretenden Fraktionsvorsitzende und gleichzeitig auch Kreisvorsitzende sein. Wobei die RNZ fragt, ob die Heidelberger Grünen nicht „eine ganz normale Partei“ geworden seien. Und zweitens kündigen die beiden neuen Kreisvorsitzenden an, man werde jetzt zusammen mit der GAL zu den Kommunalwahlen kandidieren: „Mindestens acht Sitze im Gemeinderat müssen her!“ Und: „Gemeinsam sind wir stärker“! Seltsamerweise erklären die beiden Kreisvorsitzenden, „erstmals in ihrer Geschichte werden die Heidelberger Grünen gemeinsam mit der Grün-Alternativen Liste (GAL) antreten“. Seltsam ist dies deshalb, weil die Grünen von Anfang an der wichtigste und bestimmende Teil der GAL gewesen sind. Die GAL war aus der bis dahin geltenden Sicht der Grünen so etwas wie die „offene“ Liste der Grünen. Die Kreisvorsitzenden propagierten also die „gemeinsame Stärke“, indem sie vorher eine Trennung vollzogen. Warum? Weil man in der GAL politische Positionen vermutete, die man nicht dulden wollte. Zitat Pitz und Bauer: Noch vor der letzten Bundestagswahl hätten sich einige GAL-Mitglieder dafür ausgesprochen, die Grünen nicht im Wahlkampf zu unterstützen – aus Angst wegen der Haltung der Bundesregierung im Kosovo-Konflikt selbst Wähler zu verlieren. Dieser alte Streit sei nun ausgestanden! Wie man weiß, gibt es um die Frage deutscher Militäreinsätze in der Grünen Partei bis heute selbstverständlich unterschiedliche Auffassungen. In Heidelberg soll das „ausgestanden“ sein, will sagen erstickt. Man kann auch fragen, ob nicht auch noch andere unterschiedliche Meinungen „ausgestanden“ werden müssen, z.B. die Ankündigung des Vorsitzenden der Grünen Landtagsfraktion, dass es höchste Zeit sei, dass die Grünen an die Regierung kämen, und zwar in einer Koalition mit der CDU. Man kann dem Agieren des Heidelberger Kreisvorstandes über Jahre ein gewisse Konsequenz nicht abstreiten. Auf die erstmalige „gemeinsame Kandidatur“ von GAL und Grünen 2004 folgte die willkürliche Spaltung der Gemeinderatsfraktion und die nachfolgende erstmalige „eigene Kandidatur“ von Bündnis 90/Die Grünen 2009 und schließlich die angebliche „Stärkung“ einer Position von 8 auf 6 Sitze mitsamt der „Verschiebung der Inhalte“. Diese Neuausrichtung der grünen Politik auf der lokalen Ebene konnte eben nicht stattfinden, ohne dass man den „alten Zopf“ abschnitt und sich von der GAL trennte. Was sich nach außen als Streit mit der GAL darstellte ist auch ein Konflikt bei den Grünen um Meinungsverschiedenheiten und innerparteiliche Demokratie gewesen. Die Abgrenzung des Kreisverbandes von Bündnis 90/Die Grünen gegenüber der GAL und der damit verbundene Konflikt hatte leider auch eine sehr unschöne materielle Variante. Die GAL hatte bei explodierenden Kosten im Bürgermeisterwahlkampf 2006 zusätzlich 13.000 € gezahlt, welche nach Ansicht aller Beteiligten aus der Kasse des Kreisverbandes in den nächsten Kommunalwahlkampf fließen sollten. Diesen nächsten gemeinsamen Kommunalwahlkampf gab es aber nicht mehr, so dass der Kreisverband nicht mehr bereit war den aus Mitgliederbeiträgen der GAL stammenden Betrag zurückzuzahlen. Er erklärte ihn in seinen Wahlkampf stecken zu wollen. Ein von der GAL angestrengtes streitiges Rechtsverfahren führte auch nicht zur Rückzahlung, da es Gegenforderungen aus den Nachwirkungen der früheren gemeinsamen Büronutzung gab. Zudem hatten die rechtlichen Beziehungen und Absprachen zwischen der GAL und dem Kreisverband sich immer aus der gemeinsamen Zusammenarbeit ergeben und waren nicht in der notwendigen Klarheit geregelt worden. So wurde in einem gerichtlichen Vergleich nur noch eine Zahlung von 1000 € vom Kreisverband an die GAL vereinbart. Finanzfragen bei Parteien sind, jenseits aller rechtlichen Bewertungen, immer auch politische Fragen so dass auch dies im Rahmen der Trennung von der GAL ein konsequentes Handeln des Kreisverbandes war.
- Posted by GAL
- On 15. August 2010