Wie weiter mit den Patton Barracks?
Ein erster städtebaulicher Entwurf für die künftige Nutzung der Patton Barracks liegt vor. Damit hat man Platzhalter für den Planungsprozess. Auf unserer Veranstaltung wurden einige Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt. Zu den wichtigsten gehörten „gelungene Nachbarschaften“, auch mit dem Mörgelgewann und dem Kirchheimer Weg, herzustellen, das Areal in Richtung Kirchheim zu öffnen, durch kommunikationsförderliche Einrichtungen auch über die üblichen Bürozeiten hinaus Leben in das Quartier zu bringen, den Standort und die Kubatur der Multifunktionshalle zu überdenken, bestehende Gebäude zu erhalten und ergänzend so zu bauen, dass Integration möglich ist.
– Eine Diskussionsveranstaltung der Fraktionsgemeinschaft GAL/gen.hd./Heidelberg p&e
Im Choreographischen Centrum Hebelhalle, 07.10.2015
Auf dem Podium: Judith Marggraf, Jörn Fuchs (Stadtteilverein Kirchheim), Till Schweizer (Architektenkammer) –
Laut Gemeinderatsbeschluss wird in den Patton Barracks vorrangig Wirtschaft angesiedelt. Die 18 jungen Architekten konnten sich im Juli an drei Tagen während eines Planungsateliers informieren und einen ersten Entwurf erstellen. Die Jurysitzung fand Ende August statt und wählte den Entwurf des Büros Hosoya Schaefer Architects (Zürich) als Grundlage für die weitere Diskussion und Bearbeitung. Auch auf unserer Veranstaltung wurde die Arbeit diskutiert und daraufhin abgeklopft, ob und inwieweit er sich mit Stadtentwicklungszielen deckt.
Einig war man sich darin, dass die Arbeit, wie Till Schweizer bemerkte, einen hohen Grad an Flexibilität und Skalierbarkeit gewährt und somit die beste aus den drei vorgestellten ist. Als Herzstücke sind ein Ableger des Technologieparks, das Business Development Center Organische Elektronik (BCD) im Nordwesten, eine Großsporthalle im Süden, ein Parkhaus im Südwesten und Wohngebäude im Südosten vorgesehen.
Was die Organische Elektronik betrifft, steht man, so Judith Marggraf, unter Zeitdruck, weil der Antrag auf Fördergelder bis Januar gestellt sein muss, doch dafür muss es zuerst einen Bebauungsplan geben.
Verbesserungsmöglichkeiten gegenüber dem Entwurf sehen alle drei Referenten. Jörn Fuchs zufolge kann der ÖPNV mutiger gelöst werden, und stellt in Frage, ob die Großsporthalle und das Parkhaus an der richtigen Stelle angesiedelt sind. Das Parkhaus ist an der Speyerer Straße geplant und würde am Eingangstor zu Heidelberg stehen, was wahrscheinlich schon aufgrund der Kubatur keinen guten ästhetischen Eindruck abgeben würde. Die Multifunktions-/Großsporthalle stünde mit der Rückseite direkt vor der Wohnbebauung im Mörgelgewann und wäre damit eine Beeinträchtigung der ohnehin niedrigen Wohnqualität. Außerdem wäre sie mit dem ÖPNV schwer erreichbar, denn die nächste Straßenbahnhaltestelle liegt gut einen halben Kilometer entfernt. Hans-Martin Mumm warnt in diesem Zusammenhang davor, die Straßenbahnhaltestelle von der Hebelhalle weg zu verlegen, zumal bei Veranstaltungen in einer Großsporthalle die Kapazität einer Straßenbahn nicht ausreichen würde. Vielmehr sollte ein anderer Standort für die Großsporthalle in der Nähe einer S-Bahn-Haltestelle gesucht werden.
Überhaupt findet Schweizer, die grüne Mitte des Areals dürfte größer sein, die angedachten Cafés in der Mitte könnten auch ins Casino. Und nicht nur er meint, dass der Wohnanteil deutlich größer sein dürfte, damit das Areal nicht abends nach Büroschluss wie tot daliegt: Eine Öffnung nach Süden, nämlich nach Kirchheim hin, ist unabdingbar. Leben, Wohnen und Arbeiten sollten unbedingt räumlich nahe beieinander liegen. Judith Marggraf schlägt vor, die Wohnbebauung Mörgelgewann und Kirchheimer Weg um die Ecke zu ziehen. Wichtig wäre auch, die Zäune um die Patton Barracks abzubauen, um das Areal zu öffnen. In dem riesigen ehemaligen Offizierscasino könnten beispielsweise ein Toto-Lotto-Laden, ein Bäcker, ein Imbiss angesiedelt werden, um mehr Leben in das Quartier zu bringen. Eine Aufwertung darf keinesfalls zu Lasten der jetzt dort Wohnenden gehen, und es sollten nicht nur Campus-affine Wohnungen entstehen, wirft Hans-Martin Mumm ein. Der Bestand muss eventuell über eine Milieuschutzsatzung geschützt, es muss ergänzend gebaut werden, damit die Bevölkerung von Mörgelgewann und Kirchheimer Weg integriert werden kann. Dem pflichtet auch Reiner Ueltzhöffer vom Gewerbeverein Kirchheim bei. Ihm fehlt die Vielfältigkeit: Er wünscht sich mehr Wohnraum, und zwar abschwächend von Süd nach Nord in das Quartier hinein sowie mehr Grünflächen für die Lebens- und Aufenthaltsqualität. „Gelungene Nachbarschaft“ war eben kein Stichpunkt in der Aufgabenstellung, wie Judith Marggraf süffisant feststellt.
Einen Konflikt mit dem Wohnen könnten allerdings die S-3-Labors, also Labors, in denen Gentechnik mit höchster Sicherheitsstufe betrieben wird, bedeuten – zumal hier nicht nur entwickelt, sondern langfristig auch produziert werden soll.
Zu mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität möchte auch das Collegium Academicum (CA) beitragen, das sich zum Ziel gesetzt hat, selbstverwaltetes, studentisches Wohnen für 200 Studierende mit einer Bildungsinstitution und einem kulturellen Zentrum zu verknüpfen (http://collegiumacademicum.de/). Es ist IBA-Projekt #012, und zusammen mit dem IFEU-Institut wurde ein Konzept für die Ansiedlung in den Patton Barracks erstellt. Wichtig ist den Initiatoren, vor allem aus Kostengründen, in den Bestandsgebäuden ihr Konzept zu entwickeln. Auch das Projekt „Ausbildungshaus“ war schon weit gediehen, soll jedoch jetzt in Mark Twain Village untergebracht werden.
Überhaupt die IBA: Sie wird nach Ansicht Schweizers stadtplanerisch nicht berücksichtigt, und die Fäden liefen nicht richtig zueinander. Der Aufwand an Bürgerbeteiligung sei enorm, man habe das Gefühl, einer wisse schon, wie es geht, verrate es aber noch nicht.
Ob wir bei all den Überlegungen den Zeithorizont doch weiter fassen müssen? Wer weiß. Vorläufig jedenfalls sind die Patton Barracks ein Zuhause für Flüchtlinge.
- Posted by GAL
- On 21. Oktober 2015